Wohnformen mit Zukunft

Ausgabe: 2016 | 4
Wohnformen mit Zukunft

GenerationenWohnen Neue Konzepte für Architektur und soziale InteraktionWir alle wollen älter werden, alt sein will hingegen kaum jemand. Fakt ist, dass das durchschnittliche Alter der Menschen in unseren Wohlstandsgesellschaften deutlich zunimmt. Bis zum Jahr 2040 wird sich der Anteil der mehr als 80-Jährigen verdoppeln, so der Befund einer Publikation über „Generationen-Wohnen“ (S. 19). Die damit verbundenen Herausforderungen sind für Politik, Stadtentwicklung und all jene, die sich über entsprechende (und auch leistbare) Lösungen Gedanken machen, groß und essenziell. Denn sie betreffen uns alle.

Die Autorinnen dieses – es sei vorweggenommen – kenntnis- und detailreichen Bandes sind beide in Wien als Architektinnen im Bereich der Stadtentwicklung und Quartiersplanung tätig. Mit diesem Buch bieten sie einen hervorragenden Überblick über aktuelle Herausforderungen und gelungene Beispiele alternsgerechten Wohnens. Ausgehend von einem historischen Abriss über soziale Wohnformen in urbanen Zentren wird dargelegt, wie sich Wohn- und Haushaltsformen seit Mitte des 18. Jahrhunderts verändert haben, aber auch gezeigt, vor welchen Herausforderungen die Stadtplanung gegenwärtig steht: Von beinahe 40 Millionen privaten Haushalten in Deutschland sind 40 Prozent Ein-Personen-Haushalte; deren Anteil ist allein zwischen 1991 und 2011 um 7 Prozent gestiegen. In Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Bremen ist jeder zweite Haushalt nur von einer Person bewohnt (S. 12).

Wie vielfältig und innovativ Projekte gemeinschaftlichen und betreuten Wohnens gestaltet werden können, verdeutlichen die hier versammelten Beispiele aus Deutschland, der Schweiz und Österreich ebenso wie Interviews mit ausgewiesenen Fachleuten zu Themen wie Barrierefreiheit, den Voraussetzungen gelingender Nachbarschaften oder auch zur Gestaltung alternsgerechter Strukturen von der eigenen Wohnung bis hin zum öffentlichen Raum. Als wesentlich für das Gelingen gemeinschaftlichen Wohnens wird insbesondere die Schaffung von „Optionsräumen“ angesehen, die die Autonomie der Lebensführung älterer Menschen möglichst lange gewährleisten. Weitgehende Barrierefreiheit und fußläufig erreichbare Nahversorgungseinrichtungen spielen dabei eine wesentliche Rolle (S. 38ff.).

Beispiele selbstverwalteten Wohnens und von Hausgemeinschaften für gesellschaftliche Subgruppen (wie etwa Schwule), für Menschen im Alter von 55+, aber auch der gelungenen Verbindung von Wohn- und Gewerbefunktionen werden ausführlich beschrieben und anhand von aussagekräftigen Plänen und großformatigen Fotos detailreich vermittelt. Ein weiterer Abschnitt zeigt auf, wie generationengerechte Siedlungen und Quartiere einerseits durch Umbau bestehender Einheiten oder auch durch Neubau gestaltet werden können. Vorgestellt werden aber auch Grundsätze gelingender Planung wie etwa die 1997 an der State University von New York formulierten Prinzipien des „Universal Design“.

Zu den besonderen Vorzügen dieses Bandes ist zu zählen, dass nicht nur Voraussetzungen alternsgerechten Wohnens, sondern auch die adäquate Gestaltung von öffentlichen Räumen und Mobilitätsbedürfnissen mit reflektiert werden. So wird verdeutlicht, dass verantwortungsvolles und zukunftsorientiertes Planen und Bauen einen interdiszi- plinären Zugang erfordert, wobei vor allem auch die frühzeitige Mitwirkung der späteren NutzerInnen entscheidend zum Erfolg beiträgt.

Im Anhang des großformatigen Bandes sind die Komponenten generationengerechter Wohnkonzepte, gegliedert nach den Teilbereichen Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld und Quartiere, öffentlicher Raum und Freiflächengestaltung sowie Mobilität und Nahversorgung übersichtlich und kompakt zusammengefasst. Ausführliche Literaturangaben, Normen, Richtlinien und Bildnachweise beschließen die Publikation. Sie ist nicht nur Fachleuten mit einschlägigen beruflichen Erfahrungen, sondern auch unmittelbar Betroffenen und Interessierten zu empfehlen. Walter Spielmann

Bei Amazon kaufenFeuerstein, Christiane; Leeb, Franziska: GenerationenWohnen. Neue Konzepte für Architektur und soziale Interaktion. Eltville: Ed. Detail, 2015. 135 S., € 55,- [D], 56,65 [A]ISBN 978-3-95553-261-1