Wie faschistisch ist der Islam?

Ausgabe: 2015 | 1
Wie faschistisch ist der Islam?

faschismusBreit rezipiert, aber auch kontrovers diskutiert wurde eine Analyse des in Kairo geborenen, in Deutschland lebenden Autors Hamed Abdel-Samad, der ob seiner Behauptung, dass der Islam von jeher faschistisch geprägt sei, mit einer Todes-Fatwa belegt wurde. Der an den Universitäten Erfurt und München lehrende Islamexperte ist Mitglied der Deutschen Islamkonferenz und setzt sich trotz dieser Bedrohung für einen aufgeklärten Islam in einer säkularisierten Gesellschaft ein.

Davon ausgehend, dass bereits der Ur-Islam faschistische Züge entwickelt habe, begründet Abdel-Samad seine These unter anderem mit dem im Islam ausgeprägten „Kult der Überlieferung“ und der traumatisierenden Erfahrung einer „verspäteten Nationenbildung“ im arabischen Raum (die auch in Italien und Deutschland zur Ausbildung des Faschismus geführt hätten).

Man kann im Islam und mehr noch in der islamistischen Radikalisierung gewiss faschistische Tendenzen feststellen, sollte aber vor allem auch Differenzen benennen, etwa jene, dass der Nationalsozialismus die Religion nicht zur Beanspruchung seines barbarischen Herrschaftsanspruchs missbrauchte, oder auch, dass der islamistische Terror (noch) nicht als eine staatstragende Ideologie in Erscheinung tritt, die sich die Ausrottung „artfremder Rassen“ zum Ziel gesetzt hat. Nicht außer Acht zu lassen ist vor allem, dass der Islam über viele Jahrhunderte als Vermittler abendländischer Kultur in Erscheinung trat.

Freilich ist dem Autor recht zu geben, dass es in den autoritären Regimen des Nahen Ostens immer wieder faschistoide Tendenzen und massive Formen von Unterdrückung gibt. Umso wertvoller und wichtiger ist sein Nachweis, dass es von Marokko bis Ägypten immer mehr junge Menschen gibt, die sich für einen aufgeklärten, säkularisierten Islam oder auch das Recht auf Konfessionslosigkeit stark machen (vgl. Kapitel 9). Dass andererseits die religiös-politische Radikalisierung im Zeichen des Islams in Europa zunehmend als Ablehnung des Establishments und „westlicher Werte“ zu verstehen ist, steht dazu in einem markanten Gegensatz. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, setzt Abdel-Samad u. a. auf „die schweigende Mehrheit der in Europa lebenden Muslime“. Anstatt sich „apolitisch“ zu verhalten und den Einsatz für einen säkularisierten Islam einigen Reformern zu überlassen, sei auch sie gefordert, „den Extremisten etwas entgegenzusetzen“. Tun sie es nicht, laufen auch sie Gefahr als Dschihadisten oder Suffisten angesehen zu werden. (vgl. S. 193f.) Walter Spielmann

 Abdel-Samad, Hamed: Der islamische Faschismus. Eine Analyse. München: Droemer, 2014. 223 S., € 18,- [D], 18,50 [A], sFr 19,40 ; ISBN 978-3-426-27627-3