Widerstand in der Demokratie

Ausgabe: 2010 | 3

Stand zuletzt die demokratische Legitimität in der internationalen Umweltpolitik zur Diskussion, so geht es im nächsten Beitrag, gestaltet von dem Tierrechts- und Umweltaktivisten Martin Balluch, um die Frage nach der demokratiepolitischen Legitimität verschiedener Aktionsformen. Der Autor geht davon aus, dass das Gemeinwohl nicht vom Himmel fällt und dass es auch nicht von den Mächtigen huldvoll gewährt wird, sondern dass es in gesellschaftlichen Konflikten erstritten werden muss, so Kurt Remele, Vizepräsident der katholischen Friedensbewegung Pax Christi in Österreich und Professor für Ethik und christliche Gesellschaftslehre im Vorwort (S. 11).

 

Balluch haben die Ereignisse im Mai 2008 dazu bewogen, dieses Buch zu schreiben. Damals wurden neun Tierschützer (darunter auch der Autor) und eine Tierschützerin nach § 278 des österr. Strafgesetzbuches, der eigentlich auf mafiaähnliche, terroristische Vereinigungen mit dem Anliegen der Gewinnmaximierung abzielt, verhaftet und 105 Tage in Untersuchungshaft genommen.

 

 

 

Demokratischer ziviler Ungehorsam

 

Balluch versammelt in seiner Darstellung in erster Linie Argumente für die Legitimität politischen Widerstands im Rahmen des demokratischen Verfassungsbogens und versteht es, vor allem auch aufgrund seiner unmittelbaren Betroffenheit zu überzeugen.

 

Der Autor versucht zu zeigen, welche Art von politischem Aktivismus in einer Demokratie nicht nur verträglich, sondern sogar notwendig ist und welche Art die demokratischen Prinzipien verletzt. Die Übertretung ungerechter, unmenschlicher Gesetze aus politisch-ethischen Motiven sei, so argumentiert Balluch auch in Anlehnung an Martin Luther King, erlaubt, aber an bestimmte Kriterien wie Gewaltlosigkeit, Dialogbereitschaft, Respekt vor dem Gegner und Akzeptanz von Strafe gebunden.

 

Das Ziel von Kampagnen – ob Dauerdemonstration, Boykott-Aufruf, Offene Sachbeschädigung, Treibjagd-Störung oder Pray-Ins – sieht Balluch in einer Systemänderung, „die die Lebensqualität aller verbessert“ (S. 57) Schließlich erörtert der Aktivist einige der haarsträubendsten Fälle von Behördenwillkür in Zusammenhang mit seiner Tierschutzarbeit und den Ereignissen seit dem 21. Mai 2008. Aber auch Beispiele aus dem Ausland werden angeführt. (Vgl. dazu auch Gernot Neuwirth auf www.nachhaltig.at sowie die „Chronik der Ereignisse“ unter www.oekonews.at/in- dex.php? mdoc_id=1046041).

 

Martin Balluch distanziert sich ausdrücklich von jeder Form der Gewaltanwendung, plädiert aber für die Durchführung von Kampagnen und bewertet die spezifische Wirkung von Blockaden, Besetzungen, Plakatierungsaktionen u. a. m. Außerparlamentarische Protestformen gehörten zum Wesen einer lebendigen Demokratie, können politischen Druck erzeugen und zu nachhaltigen gesellschaftlichen Veränderungen führen, ist Balluch überzeugt. Dabei überrascht es nicht, dass die hier besprochenen Kampagnen immer  wieder auch auf ihre Relevanz im Kontext interaktiver Medien überprüft werden, um die es in den folgenden Darstellungen vorrangig geht. A. A.

 

Balluch, Martin: Widerstand in der Demokratie. Ziviler Ungehorsam und konfrontative Kampagnen. Wien: Promedia, 2009. 159 S., € 9,90, sFr 17,-

 

ISBN 978-3-85371-304-4