Wertewelt Bürgerbeteiligung

Ausgabe: 2015 | 3
Wertewelt Bürgerbeteiligung

image009Damit Bürgerbeteiligung ein selbstverständlicher Bestandteil unserer Politik wird, bedarf es laut Marie Hoppe eines Wandels individueller und kollektiver Werte. In Hoppes Diplomarbeit, die als Mitglied der GRÜNEN bis 2015 in der Bremischen Bürgerschaft die Agenden der Beirätepolitik vertrat, stehen psychologische Komponenten von Bürgerbeteiligung im Fokus der Analyse. Dabei geht es um individuelle und gesellschaftliche Wertemuster von Politik und darum, unter welchen Umständen sie verändert werden können. Nach einer repräsentativen Befragung (2011) der Bertelsmann-Stiftung (www.Bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/nachrichten_102347.htm) glauben 76 Prozent der BürgerInnen, dass PolitikerInnen mehr Mitbestimmung durch die Bevölkerung ablehnen. Meist wird davon ausgegangen, dass die Zustimmung oder Ablehnung von Bürgerbeteiligung aufgrund von innerlichen, nicht immer bewussten Einstellungen erfolgt. Ziel der Studie ist es daher, die dieser Einschätzung zugrundeliegenden impliziten Wertemuster zu identifizieren. Dazu wurden 51 tiefenpsychologische Interviews mit BürgerInnen, Verwaltungsmitgliedern und PolitikerInnen aus Bremen geführt und ausgewertet. Die Ergebnisse wurden schließlich zu einem dreidimensionalen „Werteraum Bürgerbeteiligung“ zusammengefasst.

Die Ergebnisse der Studie bestätigen im Wesentlichen schon bekannte Werthaltungen. Es zeigt sich, dass zwei deutlich von einander zu unterscheidende Vorstellungen darüber bestehen, wie Politik und bürgerschaftliche Beteiligung aussehen sollte. Dabei präferiert die Gruppe „Kompetente Entscheidungen treffen“ eine repräsentativ organisierte Politik, in der die VertreterInnen Belange der BürgerInnen aufnehmen und für sie entscheiden. Die Gruppe „Gemeinsam neue Wege denken“ wünscht sich hingegen neue Strukturen, durch die sich BürgerInnen direkt einbringen können und die kooperatives Gestalten ermöglichen. Was die Erwartungen für die Zukunft betrifft, gibt es hinsichtlich der direktdemokratischen Mitbestimmung jeweils Nuancen, die in der Studie näher ausgeführt sind.

In ihrem Ausblick beschäftigt sich Hoppe mit der Frage, wie sich die erhobenen Ergebnisse für die Politik in Bremen und anderswo verwerten lassen. Ganz allgemein konstatiert sie, dass viele der gewonnenen Daten den Eindruck eines Kommunikationsproblems zwischen repräsentativer Politik und BürgerInnen bestätigen. Auffällig sei außerdem, dass es allen Befragten leicht fällt, Defizite in vergangener und aktueller Politik zu identifizieren und zu benennen. Ungleich schwerer scheint es hingegen, Alternativen zu benennen oder gar eine Idealvorstellung von Politik zu beschreiben. Als Format zur Verbesserung der Situation stößt der „Interaktive Workshop“ als geeignete Beteiligungsform auf die größte Übereinkunft bei den Befragten. Gleichwohl wird es, so die Autorin, eine Herausforderung sein, solche Workshops dauerhaft in die politischen Strukturen einzugliedern, um die Lebendigkeit von Demokratie zu erhalten.

Fazit dieser profunden Erhebung: ein Austausch darüber, was wir unter Bürgerbeteiligung verstehen und welche Ziele wir damit verfolgen, ist dringend geboten. Alfred Auer

 Hoppe, Marie: Wertewelt Bürgerbeteiligung. Eine Studie zu den Einstellungen von Politik, Verwaltungen und Bürger/innen. Hrsg. v. d. Stiftung Mitarbeit, Bonn 2014. 64 S. (mitarbeit.skript 07) € 8,-ISBN 978-3-941143-19-7