Welterbe und Tourismus

Ausgabe: 2008 | 3

Die Grundidee der Welterbekonvention, die 1972 von der UNO verabschiedet wurde, ist die gemeinsame Verantwortung für das Menschheitserbe. Gleichzeitig liest sich die Welterbeliste – vom Great Barrier Reef über die Pyramiden von Giseh und das Tadsch Mahal bis hin zu den Ever-glades – wie die Hitparade touristischer Highlights. Und in der Tat sind die Welterbestätten touristische Anziehungspunkte erster Güte. Längst gibt es mahnende Stimmen, die wegen des Massenansturms Schäden an den Kulturstätten befürchten. Unachtsamer Umgang, Verschmutzung, Beschädigung, Zerstörung und Diebstahl sind nur einige der negativen Auswirkungen, die unkontrollierter Tourismus haben kann. Deshalb gilt es, Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Kulturtourismus und Welterbe-Management mit dem übergeordneten Ziel der Nachhaltigkeit im Sinne eines angepassten touristischen Handelns in gefährdeten Gebieten zu analysieren und auszuloten.

 

Die Herausgeber dieses Bandes aus der Reihe Tourismus: transkulturell & transdisziplinär, Kurt Luger (Kommunikationswissenschaftler an der Universität Salzburg, Gründer und Vorstandsvorsitzender von ECO Himal) und Karlheinz Wöhler (Tourismuswissenschaftler und Freizeitforscher an der Universität Lüneburg), beschreiben ihr Vorhaben wie folgt: „Den ‚body of knowledge‘ zum Thema Welterbe-Tourismus mit einigen substanziellen Ergebnissen zu bereichern, ist Zielsetzung dieser Publikation, die sich auf einen in der Welterbestätte ‚Altstadt Salzburg‘ abgehaltenen internationalen Kongress (…) und eine ausführliche Literaturstudie zu diesem Themenbereich stützen kann (…).“ (S. 9) Darauf aufbauend, stellen sich Denkmalschützer, Touristiker und Tourismusplaner, Gestalter und Umsetzer von Entwicklungsprojekten, die Manager und Verwalter des Welterbes und vor allem Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen der Aufgabe, die aktuelle Lage anhand ausgewählter Beispiele zu erläutern und Ideen für nachhaltiges Management zu entwerfen. Der theoretische und praktische Blick gilt den geschützten Altstädten von Salzburg und St. Petersburg, dem Kathmandu-Tal mit seinen Königsstädten in Nepal sowie Havanna, der Hauptstadt Kubas, und Luang Prabang, der ehemaligen Königs- und Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Norden. Naturerbestätten bzw. –regionen wie etwa die Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn Gletscherzone (CH) oder die Dachstein-Hallstadt-Region im Salzkammergut (A) können, so die Herausgeber, von Tourismuskonzepten, die Kriterien der Nachhaltigkeit verpflichtet sind, ebenso profitieren wie Schloss Schönbrunn oder die Tempelanlagen von Hampi im indischen Karnataka.

 

Insgesamt wurden inzwischen 878 Denkmäler in 145 Ländern weltweit in die Welterbe-Liste (aus Wikipedia) aufgenommen. Davon sind 679 als Kulturdenkmäler und 174 als Naturdenkmäler gelistet, weitere 25 werden sowohl als Kultur- als auch als Naturerbe geführt. Ausgewiesen wird damit v. a. die Einzigartigkeit, die Authentizität (historische Echtheit) und die Integrität (Unversehrtheit) der Objekte. Bei gravierenden Verstößen besitzt die UNESCO keinerlei Sanktionsmöglichkeiten (mit Ausnahme der Streichung von der Welterbeliste, womit aber das Schutzziel aufgegeben wird). Derzeit stehen 30 Welterbestätten auf der Roten Liste, in der jene Objekte aufgelistet sind, die infolge von Krieg oder Naturkatastrophen, durch Verfall, durch städtebauliche Vorhaben oder private Großvorhaben ernsthaft gefährdet sind.

 

Im vorliegenden Kontext bedeutet nachhaltiges Welterbe-Management eine umfassendere Aufgabe als für den Schutz von Gebäuden zu sorgen oder ein touristisches Marketing dafür zu betreiben (vgl. K. Luger, S. 36). Es handelt sich vielmehr um eine interdisziplinäre Aufgabe; diese entspricht letztlich der „International Cultural Tourism Charter“, „die in ihren Prinzipien fordert, dass verantwortliches Welterbemanagement Bedacht auf die Interessen der Einheimischen nimmt, das Erbe mit Nachdruck und dauerhaft verwaltet wird, Schutzmaßnahmen mit der Tourismusplanung in Übereinstimmung erfolgen, damit Welterbe wie Touristen davon profitieren und sich gegenseitig stützen.“ (S. 36)

 

Anhand von konkreten Bezügen zu Landschaften und Regionen geht es im zweiten Abschnitt um das Welterbe in Konvention und Schutzpraxis. Hier werden Möglichkeiten diskutiert, die nötigen Finanzmittel zur Bewahrung und Restauration der Welterbestätten durch den Kulturtourismus zu lukrieren. Dies kann nach Meinung der Autoren nur gelingen, wenn das Ausmaß der touristischen Belastung limitiert wird. Vor einigen Wochen hat Ägypten mit der Meldung aufhorchen lassen, den Besucherstrom zu den Pyramiden durch lenkende Maßnahmen begrenzen zu wollen. Die USA machen längst vor, was hier nur angedacht ist. Zur Felsformation „The Wave“ in Arizona/Utah dürfen nur 20 Personen pro Tag wandern. Zehn Tickets werden ein halbes Jahr im Voraus vom Bureau of Land Management über Internet verkauft. Die anderen zehn Tickets werden einen Tag vor Gültigkeit vor Ort vergeben.

 

„Welterbe und Tourismus im Entwicklungskontext“ ist Thema des letzten Abschnitts. Besonders in wirtschaftlich ärmeren Ländern kann ein sorgfältig geplanter und regulierter Tourismus einen erheblichen Beitrag zur Erhaltung der Tradition und des kulturellen Erbes leisten. An vielen Orten, ob in der Inkastadt Machu Picchu oder in Angkor Wat bringen die Besuchermassen zwar viel Geld in die Regionen, aber nur selten trägt dies zur behutsamen Entwicklung bzw. zur langfristigen Erhaltung der Anlagen bei. Denn großteils fließen die Einnahmen des globalen Tourismusmark-tes wieder an die internationale Tourismusindustrie zurück, ohne dass das nötige Kapital für die Erhaltung der Welterbestätte vor Ort abgeschöpft werden kann. „Wirklich erfolgreiche Erhaltungskonzepte stehen“, so die Herausgeber, „meist in Verbindung mit Entwicklungsprojekten, zumindest über einen bestimmten Zeitraum.“ (S. 328) Ein gleichermaßen fundierter wie vielfältiger Beitrag zu vielen Herausforderungen eines gedeihlichen Miteinanders von Kultur und Tourismus, der sich übrigens auch die Österreichische UNESCO-Kommission mit großem Engagement widmet. A. A.

 

Welterbe und Tourismus. Schützen und Nützen aus einer Perspektive der Nachhaltigkeit. Hrsg. v. Kurt Luger … Innsbruck (u. a.): Studien-Verl., 2008. 454 S., € 49,90 [D], 49,90 [A], sFr 83,90

 

ISBN 978-3-7065-4518-1