Wege zu einer solidarischen Politik

Ausgabe: 1999 | 3

Das Forschungsprojekt „Solidarität“ geht, wohl nicht ganz überraschend, davon aus, daß nur eine solidarische Politik zukunftsfähig ist. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn politische Parteien, die eine solche Politik wagen, von einer Mehrheit gewählt werden. Wird aber eine solidarische Politik auch von den Wählenden unterstützt bzw. nützen - und wenn wie - die Parteien die Solidarpotentiale ihrer WählerInnen?

Kern der vorliegenden Studie ist der Vergleich zwischen der Wählermeinung und den Aussagen der Hauptredner der im österreichischen Parlament vertretenen Parteien zu den in der Solidaritätsstudie (Innsbruck 1996) angepeilten Themen (etwa zur Flüchtlings- und Ausländerproblematik, der Entwicklungshilfe, Erwerbslosigkeit, Umverteilung, Abtreibung, Familie u. a. m.)

Die vom Pastoraltheologen Paul M. Zulehner, dem Leiter des Ludwig-Bolzmann-Instituts für Werteforschung, nun vorgelegten weiterführenden Analysen zeigen in vielen Bereichen eine bemerkenswerte Differenz zwischen Partei- und Wählermeinung. Geht man davon aus, daß Politik heute mehr eine Art „Bewirtschaftung möglicher Wählerpotentiale“ geworden ist, dann ist hier jedenfalls eine stärkere Orientierung an Meinungslagen zu erwarten. Dabei könne die FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs), „die politisch am ehesten unsolidarische Positionen vertritt, noch mehr aber die ÖVP (Österr. Volkspartei) auf starke solidarische Potentiale bei ihren Wählenden setzen. Die SPÖ (Sozialistische Partei Österreichs) wiederum tut sich mit ihrer programmatischen Solidarität bei ihren verängstigten Wählenden eher schwer“ (S. 9). Die größte Übereinstimmung zwischen Wählenden und politischen Repräsentanten gibt es, so Zulehner zu den Ergebnissen, bei den Grünen.

Unter dem Titel „Handeln. Wir. Solidarisch“ steht zu Beginn des Bandes eine von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Kirchen erarbeitete Solidarcharta für Österreich, die „versucht, einen Kompromiß zu schließen zwischen einer solidarischen Langzeitvision und dem in den nächsten Jahren auch Machbaren.“ (S. 10) Nicht zuletzt sei noch auf den Beitrag von Anton Pelinka hingewiesen, der die Ergebnisse kommentiert und festhält, daß künftig eher von einer stärkeren Differenz der Solidarität von WählerInnen und Parteien auszugehen ist und die Kluft zwischen solidarbereiten und weniger solidarischen Sektoren der Gesellschaft eher größer wird. Der Politikwissenschafter verweist aber auch auf die sich möglicherweise verstärkenden Spannungen zwischen den Generation, die auf ein divergierendes Solidarverhalten hindeuten.

Auf dem Weg in eine gerechtere und friedlichere Zukunft bleibt Solidarität, so das Ergebnis der Studie, auf allen Ebenen (persönlicher, sozialstaatlicher wie zivilgesellschaftlicher) unverzichtbar. A. A.

Zulehner, Paul M.: Wege zu einer solidarischen Politik. Unter Mitarbeit von Anton Pelinka ... Innsbruck (u. a.): Tyrolia-Verl., 1999. 275 S., DM / sFr 19,80 / öS 144,-