Was veränderte Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft

Ausgabe: 1999 | 3

Im Widerspruch zur Hochstimmung in manchen Forschungsbereichen (etwa der Biowissenschaft) nimmt das öffentliche Vertrauen in die Wissenschaft insgesamt ab. Im Verbund mit einer rasant sich entwickelnden Technik erzeugt sie in vielen Menschen ein Gefühl akuter Bedrohung. Deshalb ist heute eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Gesellschaft erforderlich.

Für Helga Nowotny, sie lehrt Wissenschaftsphilosophie in Zürich, ist die alte Aufteilung nach hierarchisch strukturierten Disziplinen zwar noch aufrecht, in der Praxis ist Wissenserzeugung aber längst nicht mehr Privileg einer bestimmten Institution. Auch die Verbreitung von wissenschaftlichem Wissen und dessen Aneignung und Transformation findet durch eine Öffentlichkeit statt, „die dem Monopol des offiziellen Wissenschaftssystems und dessen Benutzungsintentionen zu entgleiten droht“ (S. 20). Damit kehrt für die Autorin die Emotionalität in die Diskussion zurück, die gerade von den Wissenschaften verdeckt werden sollten. Es geht also darum, „den epistemischen Kern der Wissenschaft, und somit der zentralen Bestandteile des Wissenschaftsbildes neu zu bestimmen“ (S. 29). Es geht um nichts weniger als um eine offenere Legitimierungsgrundlage von Wissenschaft.

Nowotny unterscheidet mit Blick auf die notwendigen Veränderungen die Wissenschaftsproduktion nach „Modus 1“ als „eine komplexe Verbindung von Ideen, Methoden, Normen, Praktiken, Instrumenten und institutionellen Voraussetzungen“. „Im Vergleich dazu findet Wissensproduktion nach „Modus 2“ in den verschiedensten, oft sehr heterogenen Kontexten konkreter Anwendungen statt, so zum Beispiel in der Risikoforschung, in den Umweltnaturwissenschaften (...).“ (S. 67) Gegenüber „Modus 1“, der noch immer stark im universitären Bereich und in der Lehre verankert ist, sieht Nowotny die neue Wissensproduktion in höherem Maße zur sozialen Rechnungslegung bereit. Insgesamt kommt sie zu dem Schluß, daß die Grenzen zwischen der Institution Wissenschaft und der Gesellschaft zunehmend durchlässiger werden und die Vermittlung von Wissenschaft sich zweifellos der Gesellschaft gegenüber öffnet, „ohne in Beliebigkeit zu verfallen und ohne auf ihre relative Autonomie zu verzichten“ (S. 79).

Und wenn wir dann Bescheid wissen über die Entstehung der Wissenschaft und ihre Gebundenheit an andere Kontexte, müssen wir eben lernen, so Nowotny in ihrer Conclusio, „uns in einer Welt einzurichten, die vielfältig, komplex, unordentlich und vom gleichzeitigen Nebeneinander multipler Zeiten geprägt ist“ (S. 83).

In einem weiteren kurzen Beitrag (aus dem Jahr 1997) beschäftigt sich die Autorin mit der Dynamisierung der Wissensproduktion und den neuen Technologien, die bei der Erzeugung, Verbreitung und Integration des Wissens eine zunehmend dominierend Rolle spielen.

A. A.

Nowotny, Helga: Es ist so. Es könnte auch anders sein. Über das veränderte Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft. Frankfurt/M.: Suhrkamp-Verl., 1999. 121 S. (Erbschaft unserer Zeit ; 4) DM 14,80 / sFr 14,- / öS 108,-