Was die Zukunft war, was die Zukunft sein kann

Ausgabe: 1992 | 1

Der Autor gehört der Redaktion des" Philadelphia Inquirer" an und ist schon als Verfasser von „Populuxe", einer Beschreibung Amerikas der 50er und 60er Jahre hervorgetreten. In diesem Buch kritisierter. dass "seit mindestens zwei Jahrzehnten keine bezwingende und umfassende Zukunftsversion die Phantasie der Amerikaner erobert hat. Unsere Kultur ist wie ein Kind, das ohne Erwachsene aufgezogen wird". Gebraucht würde eine Vorstellung von Zukunft, die zugleich umfassend und praxisbezogen ist, und damit sowohl ein Fundament für Hoffnung darstellen könnte als auch fest auf dem Boden der Tatsachen stünde. Aber inzwischen ist der Glaube an Zukunft selbst unter Beschuss gekommen. "Früher schauten wir auf unsere Ahnen hinunter und beneideten unsere Nachkommen. Heute gedenken wir wehmütig unserer Vorfahren und verschwenden kaum einen Gedanken an die Generationen nach uns. Die Zukunft war einst eine glänzende Stadt: heute ist sie ein Slum." Diese Entwicklung hat ihre Ursache darin, dass das Konzept von Zukunft, das auf Technik und Konsum im Dienst persönlicher "Entfaltung" setzte, ein Ende ist. Das Erreichen materieller Ziele hat uns nicht glücklicher gemacht, sondern lässt uns eher nostalgisch auf eine Zeit zurückblicken, als die Dinge offenbar immer besser wurden. Wir mögen uns zwar noch immer eines hohen quantitativen Lebensstandards erfreuen, aber unsere Lebensqualität ist abgestürzt. Die einzelnen Kapitel des Buches erforschen das Ende der Zukunft", Orakel und Utopien der Vergangenheit, das Wachstum der Weltbevölkerung und die Frage, welcher Lebensstandard genug ist (der Einfallsreichtum der Menschheit läuft mit ihrer Fortpflanzungsrate um die Wette"). Hirte diskutiert den Nutzen der Technik (es scheint zu viele einander widersprechende Sachzwänge zu geben; "das Morgen läuft überallhin zugleich, in Richtung Aufschwung und Niedergang, Himmel und Hölle"). er erörtert die Arbeitswelt (wobei er sich mit Yoneji Masudas „Informationsgesellschaft" und Hans Moravisc "Robotern" auseinandersetzt), die Umweltfrage und das neue Gesundheitsbewusstsein. Er kommt zum Schluss, dass viele der Werte, die unsere aktuellen Probleme verursacht haben noch immer in unserer Gesellschaft wirken, dass aber zugleich sanftere Werte im Entstehen sind, die für die Bewältigung der technologischen, menschlichen und Umweltprobleme, denen wir uns gegenübersehen, wahrscheinlich besser taugen. Diese "sanfte" Annäherung an die Zukunft glaubt zwar auch an den Fortschritt, aber ist sich bewusst, dass es hart erarbeitet werden muss. Das wichtigste Modell für "sanften Fortschritt" ist die komplexe Effizienz der Lebewesen. Eine strukturelle Änderung der Landwirtschaft in Richtung größerer ökologischer Bewusstheit wäre ein solcher logischer Schritt. Ebenso dringend müssten die Lehren, die uns lebende Systeme vermitteln, auf andere Bereiche unserer Produktion angewandt werden, um die riesige Maschinerie der modernen Gesellschaft von ihrem zerstörerischen Autopiloten abzukoppeln. (Übersetzung: W R.)

Hine, Thomas: Facing Tomorrow: What the Future Has Seen, What the Future Can Se (Das Morgen im Blick: Was die Zukunft war, was die Zukunft sein kann). New York: Alfred A. Knopf Verlag, 1991. 264 S., $ 22