Jean Ziegler

Warum wir weiter kämpfen müssen

Online Special
Warum wir weiter kämpfen müssen

Es ist ein sehr persönliches Buch, welches der ehemalige UN-Sonderberichterstatter und aktuelles Mitglied des beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrates, Jean Ziegler geschrieben hat – eine Rückschau auf Erfolge und Misserfolge, eine offene Reflexion, was man besser hätte machen können – und trotz aller Herausforderungen ein Bekenntnis zum Glauben ein eine bessere Welt für alle.

Beginnend mit einem Misserfolg – seinem gescheiterten Versuch, Geierfonds über UN-Gremien zu verbieten– teilt Ziegler seinen reichen Erfahrungsschatz in internationaler Diplomatie. Als Geierfonds bezeichnet man den Ankauf entwerteter Schuldenpapiere von Dritte-Welt-Staaten, um diese dann zu einem vielfachen Preis von den verarmten Ländern einzutreiben – unterstützt von westlichen Regierungen und internationalen Schiedsgerichten: „Die Hochkonjunktur von Geierfonds führt uns die ins Groteske gesteigerte Macht der Reichen und die Schwäche der Staaten vor Augen.“ (S. 40). Ähnliches gilt im Bereich der Lebensmittelspekulationen, die regelmäßig Hungerkrisen auslösten.

Ziegler beklagt, dass politische Entscheidungsgewalt zunehmend von Staaten auf Oligarchien, auf das globalisierte transkontinentale Kapital übergehe – was sich auch in der UNO zeige. Auch die EU scheitere hier: „Ich glaube, es ist offensichtlich, dass die Europäische Union (EU) nicht die Rolle einer 'kontinentalen Demokratie' übernehmen kann. So, wie sie heute organisiert ist – und damit die Intentionen ihrer Gründer auf den Kopf stellt – , ist die Europäische Union im Wesentlichen eine Clearingstelle, eine Instanz, die die Interessen transnationaler Privatkonzerne koordinieren und unterstützen soll“ (S. 49).

Über die UNO und Menschenrechte

Auch die UNO sei durchsetzt von Sonderinteressen, bleibe aber die einzige potenzielle Quelle internationaler Normsetzung. Ziegler verweist hier auf eine „sanfte Gewalt der Vernunft“, die von der UNO ausgehe – und die auf Erfolge verweisen kann, seien es die großen Impfkampagnen, sei es das Welternährungsprogramm. Die größte Errungenschaft seien aber die Menschenrechte, die im Rahmen der UNO ausgearbeitet wurden und durch UNO-Gremien mal mehr, mal weniger effektiv verteidigt werden: „Die Menschenrechte können nicht mit Gewalt durchgesetzt werden. Es gibt auch keinen internationalen Gerichtshof, vor dem die Opfer von Menschenrechtsverletzungen klagen und Schadensersatzforderungen stellen können. Folglich lassen sich die Menschenrechte nur durch Überzeugungsarbeit voranbringen“ (S. 81f.). Das klingt nach wenig, entfaltet aber Wirkung: Durch verschiedenste Instrumente können Menschenrechtsverletzungen öffentlich gemacht werden – und selbst wenn diese zu oft mit Füßen getreten werden, entfalten sie eine dermaßen starke normative Kraft, dass niemand gerne öffentlich Menschenrechtsverletzungen zugibt.

Hart geht Ziegler mit den USA ins Gericht, deren „imperiale Strategie“ er als Quelle zahlreicher Menschenrechtsverletzungen sieht: etwa durch Unterstützung lateinamerikanischer Militärdiktaturen und dem Krieg gegen den Terror. Gleichzeitig räumt er ein, dass die UNO trotz der Möglichkeit, militärisch zu intervenieren, immer wieder bei großen Menschenrechtsverletzungen versagt: Die Genozide in Ruanda und Srebrenica sind die tragischsten Beispiele dafür. Deswegen plädiert Ziegler auch dafür, dass die UNO militärisch intervenieren kann bzw. dies auch wirklich tut – was häufig am Veto der großen Staaten im Sicherheitsrat scheitert.

Einen ausführlichen Teil des Buchs widmet Ziegler diversen Kritiken und Unterstellungen zu seiner Person, etwa kolportierte Verbindungen zu Diktatoren bzw. im Kontext seines Engagements für das Recht auf Nahrung in Palästina oder zum Vorwurf des Antisemitismus. Der Autor verwehrt sich entschieden gegen solche Vorwürfe und verweist darauf, dass er Menschenrechtsverletzungen überall anprangere: Etwa, als Schweizer Banken Holocaustopfer um Millionen von Dollar betrügen wollten, aber auch, als es offenkundig wurde dass das israelische Besatzungsregime immer wieder zu Hungerkrisen unter Palistinänsern führt. Verleumdungskampagnen, Gerichtsverfahren, Bespitzelung durch Geheimdienste: All das musste Jean Ziegler für sein Engagement für eine gerechte Welt ertragen. Und doch betont er, wie wichtig die Fortführung seiner Arbeit ist: „Ja, der Kampf geht weiter“ (S. 304).