Verhandlungspoker um Klimaschutz

Ausgabe: 1996 | 3

Daß Klimaschutz zu einer globalen Aufgabe geworden ist, steht heute außer Streit. So kommt internationalen Vereinbarungen und Verträgen eine wichtige Rolle zu. Der Politikwissenschaftler Timm Krägenow war während des gesamten Berliner Klimagipfels im April 1995 sowie bei den Vorbereitungsgesprächen zugegen und hat den Prozeß und die Ergebnisse dieser internationalen Konferenz untersucht und Politikempfehlungen für die weiteren Entwicklungen erarbeitet. Krägenow unterscheidet sechs Interessengruppen am Klimagipfel:

  1. Die Allianz 36 kleiner, tiefliegender karibischer und pazifischer Inselstaaten, denen aufgrund der unmittelbaren Bedrohung durch einen Meeresspiegelanstieg zwar "moralisches Gewicht", aber kein politisches zukomme (ihr Vorschlag auf strengere Reduktionsziele wurde abgelehnt);
  2. die Europäische Union mit der BRD als weltweit fünftgrößtem C02-Emittenten, die zwar offensiv aber erfolglos verbindliche Vereinbarungen auch über die Zeit nach dem Jahr 2000 forderte (das selbstgesteckte Ziel, die C02-Emissionen bis 2000 auf dem Niveau von 1990 zu stabilisieren, wird die EU übrigens weit verfehlen);
  3. die außereuropäischen OECD-Staaten, allen voran die USA und Japan, die die Verabschiedung eines verbindlichen ProtÖkolls, das die Rahmenkonvention ersetzen sollte, verhinderten und die Aufmerksamkeit auf die sogenannten "Joint Implementations" lenkten (ein Vorgang, der den Ankauf von Emissionsrechten durch C02-reduzierenden Technologietransfer in die Länder des Südens empfiehlt, damit jedoch zur Aufweichung der Reduktionsziele führen würde);
  4. die Entwicklungsländer, zusammengesetzt aus den 120 Staaten der "Gruppe 77" sowie aus China, die zwar die Inselstaaten unterstützten, zugleich aber auf ihr Recht auf nachholende Industrialisierung pochten; bleiben schließlich
  5. die ost- und mitteleuropäischen Länder, die der Autor als zurückhaltend bremsend beschreibt, und
  6. die OPEC-Staaten mit der Bestrebung, klare. Reduktionsvereinbarungen durch destruktives Verhalten zu verzögern.

Interessant ist der geschilderte NGO-Einfluß: So sollen Umweltgruppen insbesondere die Positionen der Entwicklungsländer, US-Business-Groups hingegen massiv jene der OPEC-Länder und Rußlands beeinflußt haben. Um zu rascheren Ergebnissen zu kommen, plädiert Krägenow für einen freien Zusammenschluß von OECD-Staaten mit "anspruchsvollen nationalen Klimaschutzzielen und Klimapolitiken" sowie für die stärkere Berücksichtigung von Klimabelangen in der Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern des Südens. H. H.

 

Krägenow, Timm: Verhandlungspoker um Klimaschutz. Beobachtungen und Ergebnisse der Vertragsstaaten-Konferenz zur Klimarahmenkonvention in Berlin. Freiburg: Öko-Inst., 1996. 162 S.