Menschenrecht auf Anderssein vs Universale Normen

Ausgabe: 1995 | 2

Viele Menschen verbanden mit dem Ende des Kalten Krieges Hoffnungen auf eine gerechtere Weltordnung, auf ein friedlicheres Zusammenleben, auf einen Durchbruch für die Menschenrechte. Doch siehe da - sowohl zwischen den Staaten als in ihrem Innern brechen vielerlei neue Konflikte aus, überwunden geglaubte Haltungen wie Nationalismus und Fremdenangst werden wieder virulent, Kants "ewiger Frieden" scheint so weit entfernt wie eh und je.

Zur Diskussion dieser Lage fanden sich in den  Frankfurter Römerberggesprächen 1994 eine Reihe hochkarätiger Experten zusammen, von denen zehn Beiträge samt Diskussionszusammenfassung in diesem Band einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Eingangs reflektiert der Philosoph Karl-Otto Apel, wie denn universale Menschenrechte, heutzutage noch erweitert um die u. a. ökologisch bedingte Notwendigkeit einer Makroethik, mit dem Existenzrecht partikularer Lebensformen zusammenzubringen seien und fordert darüber eine ständige Kommunikation. Lothar Brock nähert sich dem Thema aus der Sicht der Friedensforschung und zeigt auf, daß eine universale Geltung von Grundrechten nicht allein durch internationale Abkommen zu erreichen ist, sondern immer auch auf Selbstbindung der Menschen angewiesen bleibt.

Der Soziologe Dan Diner präzisiert den ethnischen und politischen Ethnos-Begriff, die Frauenforscherin Ute Gerhard analysiert den Konflikt zwischen allgemeiner Menschenwürde und kultureller Differenz am Beispiel der Frauen. Der Politologe Bassam Tibi untersucht die Frage, ob das Recht auf Anderssein dem Individuum oder dem Kollektiv zusteht, der langjährige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler erinnert an die letztlich katastrophalen Folgen eines übersteigerten Nationalismus und plädiert für ein Verständnis der Nation als Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft. Christine Hohmann-Dennhardt geht anhand ihrer arbeits- und sozialrechtlichen Erfahrungen den Ursachen von Rechtsradikalismus vor allem unter Jugendlichen nach. Zwei weitere Beiträge widmen sich der spezifischen Lage in der ehemaligen Sowjetunion und Überlegungen zur deutsch-türkischen Zukunft, eine systematische Zusammenfassung der Diskussion schließt die Dokumentation ab. Der Herausgeber Hilmar Hoffmann fügte noch Überlegungen zur deutschen Auswärtigen Kulturpolitik an, die er bereits in einer eigenen Publikation veröffentlicht hatte.

(Vgl. auch Nr. 190 in diesem Heft [Anm: Freund oder Fratze? Das Bild von Deutschland in der Welt und die Aufgaben der Kulturpolitik. (Hrsg.) v. Hilmar Hoffmann Frankfurt/M. (u.e.): Campus, 1994])

W R. 

Anderssein, ein Menschenrecht. Über die Vereinbarkeit universaler Normen mit kultureller und ethnischer Vielfalt. Hrsg. v. Hilmar Hoffmann ... Weinheim: Beltz Athenäum 1995.1885., DM / sFr38,- / öS 297