Think- Tanks versus „Denkfabriken“?

Ausgabe: 2004 | 2

 Think Tanks können - unabhängig von Kontext und Struktur als „Ideenagenturen“ definiert werden. In Deutschland - das gilt insgesamt wohl auch für Europa - sind sie überwiegend öffentlich bzw. staatlich organisiert und durch eliteorientierten Output definiert; die überwiegend private Orientierung in den USA hat hingegen eher eine zivilgesellschaftliche Ausrichtung zur Folge. Dies ist nur einer von vielen Befunden dieser in jeder Hinsicht gewichtigen Studie, über dessen Verfasser leider keine näheren Angaben gemacht werden. Zwei Fragen sind für Braml erkenntnisleitend: „Was verursacht die unterschiedlichen Organisationsstrukturen von Think Tanks, und inwiefern beeinflussen die jeweiligen Faktoren deren Verhalten?“ Trotz Anzeichen der Internationalisierung der Forschung und Politikberatung, so eine der zentralen Thesen, bleiben die Denkfabriken in den USA und Deutschland ihrer nationalen Umwelt und deren Strukturen verwoben und besetzen demnach auch jeweils unterschiedliche Segmente. Mit Hilfe eines breiten Methodenspektrums - teilnehmender Beobachtung, quantitativer Umfragen und Experteninterviews - werden „Umwelteinwirkungen“ der Institutionen (institutionelles, rechtliches, finanzielles Umfeld), aber auch Arbeitsmarkteinwirkungen, die Rolle von Technologie und Medien sowie das „intellektuelle Umfeld“ näher beleuchtet. So etwa wird - um nur ein Beispiel zu nennen - in Deutschland das Postulat der „Wissenschaftlichkeit“ bzw. der „wissenschaftlichen Freiheit“ viel stärker akzentuiert, während amerikanische Einrichtungen ihre politische oder ideologische Positionierung zunehmend stärker betonen. Für beide Seiten lässt sich hingegen feststellen, dass seit Ende der 60er Jahre die Zahl „advokatischer“ Think Tanks, die dem privaten Sektor zuzuordnen sind, weit stärker zunimmt als die Zahl staatlich geförderter Einrich-tungen. Insgesamt liegt die Zahl einschlägiger Institutionen in den USA bei mehr als 300, während in Deutschland 123 Einrichtungen existieren. Letztere zeichnen sich, so ein weiteres interessantes Detail, durch zunehmende inhaltliche oder auch geografische Spezialisierung aus, während es in den USA nach wie vor eine Reihe von „Full- Service“-Organisationen gibt. Dass Think Tanks im Gegensatz zu universitärer Forschung eher teamorientiert agieren, ist ein weiteres Ergebnis der Studie. Eine ausgewiesene Fachpublikation, die nicht zuletzt auch auf Grund ihrer Allgemeinverständlichkeit hervorzuheben ist. W. Sp. 

Braml, Josef: Think- Tanks versus „Denkfabriken“? U.S. and German Policy Research Institutes. Coping with and Influencing Their Environments. Strategien, Management und Organisation politikorientierter Forschungsinstitute (dt. Zusammenfassung). Baden-Baden: Nomos-Verl., 2004. 622 S. (Aktuelle Materialien zur Internationalen Politik. Stiftung Wissenschaft und Politik; 68) € 78 [D], 80,50 [A], sFr 136,50 ISBN 3-8329-0547-2