Szenen aus dem Herzen

Ausgabe: 2019 | 4
Szenen aus dem Herzen

Greta Thunberg streikt seit August 2018 jeden Freitag für die Rettung des Klimas – dieser Schulstreik wurde zu einer globalen Bewegung junger Menschen. Hier erzählt Malena Ernman, Thunbergs Mutter, aus dem Familienleben mit einer großen Offenheit, die soziale Problemlagen weit über das Klimathema hinausgehend thematisiert.

Das Leben von Ernman erfährt einen Einbruch, als beide Töchter, Greta und die um drei Jahre jüngere Beata, Anzeichen von psychischen Störungen zeigen. Für Ernman und ihren Partner beginnt eine Odyssee des Leidens: Mit zehn Jahren beginnt Thunberg eine massive Essstörung zu entwickeln und ist nicht mehr in der Lage, dem Unterricht zu folgen. Bis zur Diagnose Asperger vergehen Monate. Im Kampf um das familiäre Überleben fallen gesellschaftliche Problemlagen immer stärker auf die Familie zurück, etwa ein Schulsystem, das für Kinder außerhalb der erwarteten Norm nicht gewappnet ist.

Es ist Greta Thunberg, die den Kampf gegen den Klimawandel in die Familie einziehen lässt. Für sie ist es nicht nachvollziehbar, warum die Menschheit sehenden Auges geradewegs in die Katastrophe steuert. Sie überzeugt ihre Familie, sich ihrem Kampf anzuschließen: Die einst international gefeierte Sängerin Ernman hört auf zu fliegen, Solarzellen und ein Elektroauto kommen ins Haus, man stellt die Ernährung um. Thunberg möchte mehr: Sie beginnt sich online zu engagieren, recherchiert systematisch zum Umgang der Medien und der Politik mit dem Klimawandel, nur um festzustellen, dass die große Katastrophe schlicht kein Thema ist. Als nach der Unterzeichnung des Pariser Abkommens die schwedische Politik zwar viele schöne Worte aber keine Taten setzt, beschließt sie, ihren Klimastreik umzusetzen.

Ernman kontextualisiert sowohl die Erkrankungen als auch Thunbergs Engagement im Kontext einer ausgebrannten Gesellschaft, die in letzter Konsequenz auch den Planeten Erde ausbrennt. Dabei betont sie, dass die Lebensweise unserer Zivilisation grundsätzlich in Frage zu stellen ist: „Die Luftfahrt gibt den Autos die Schuld. Die Landwirtschaft der Luftfahrt. Die Autofahrer der Schifffahrt. Schließlich ist es immer einfacher, die Schuld anderen zuzuschieben, als sich an die eigene Nase zu fassen.“ (S. 115) Für Ernman ist die individuelle Macht der KonsumentInnen zwar wichtig, aber nicht ausreichend: Vielmehr braucht es eine systemische radikale Klimapolitik, die freilich durch individuelles Engagement beschleunigt werden kann (vgl. S. 140). Das bedeutet auch, dass gegen die Interessen und den ungebrochenen Einfluss von großen Konzernen vorgegangen werden muss. Letztendlich bleibt nur eines: Mit allem, was wir haben, die Klimawende zu fordern: „Wir haben längst eine Antwort auf die Klimafrage. Wir wissen was zu tun ist. (…) Organisiert euch! Werdet aktiv! Setzt etwas in Bewegung! Es ist Zeit für den Auftritt.“ (S. 252ff.)