Szenario 2035

Ausgabe: 2009 | 3

Deutschland im Jahr 2035 - ein Albtraum. Unsere Welt ist nicht wiederzuerkennen. Drückende Hitze, Waldbrände, Wassermangel,  Insektenplagen, Energieknappheit, politische Unruhen und Millionen von Klimaflüchtlingen – so sieht das Autorenduo Claus-Peter Hutter und Eva Goris unsere Zukunft in etwa 25 Jahren. Tatsächlich stehen die Zeichen auf Sturm, überall auf der Welt mehren sich die beunruhigenden Nachrichten. Auch die Klimazukunft hat längst begonnen und in ihr wird „nichts auf unserer Erde mehr so sein, wie es einst war“ (S. 201). Also nichts Neues und es stellt sich die Frage, wozu noch ein Buch über den Klimawandel, über den wir doch längst alles zu wissen glauben. Die Fakten sind bekannt, die Mahnungen erhoben und die Ohnmacht der Politik dokumentiert. Der vorliegende Band verdient  aber deshalb unsere Aufmerksamkeit, weil er eine packende Synthese von Fiktion und Fakten liefert, die nicht nur spannend zu lesen, sondern auch reich an aktuellen Daten und bereits stattfindenden Realitäten ist. Erzählt werden Geschichten vom Alltagsleben im Jahr 2035. Ein Wirbelsturm samt Sturmflut fordert in Hamburg 12.000 Tote, ein Bergrutsch in Österreich verschüttet ein ganzes Tal und seine Bewohner, Bangladesch versinkt im Meer und Krankheit übertragende Stechmücken verbreiten sich auch in bisher verschont gebliebenen Gebieten. Millionen von Öko-Flüchtlingen leben zusammengepfercht in streng bewachten Auffanglagern. Schon in wenigen Jahren – so die beiden Autoren – könnte Strom rationiert sein, viele Menschen wären gezwungen, verseuchtes Wasser zu trinken und es könnten sich neue, unheilbare Krankheiten ausbreiten. Wer von den Lesern dazu neigt, diese Storys als Science-Fiction, als übertrieben und zu pessimistisch abzutun, der wird im jeweils zweiten Teil der Kapitel eines Besseren belehrt. Dort nämlich präsentieren Hutter/Goris die entsprechenden wissenschaftlichen Fakten zu den prognostizierten Folgen der Klimaerwärmung, veranschaulicht durch Grafiken und Bilder. Eindrucksvoll sind auch die zahlreichen Interviews mit Wissenschaftlern und Experten aus der Forschung, aber auch Prominenten wie Al Gore, Klaus Töpfer oder Reinhold Messner.

 

Spätestens dann mag – hoffentlich – dem letzten Zweifler klar werden, was passiert, wenn nichts passiert. Was ändert sich in unserem Alltag, wenn die Klimaerwärmung weiter zunimmt? Was, wenn die globale Wasserknappheit weiter fortschreitet? Woher kommt unser Trinkwasser, wenn die Gletscher in den Alpen weg sind? Neben den vielen bedrückenden Fakten gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen, wie Politik und Wirtschaft, wie wir alle im täglichen Leben ganz konkret zum Klimaschutz beitragen können. Einige Beispiele („Best Practice“) werden am Schluss des Bandes angeführt. Ein kleines Klimaschutz-Handbuch zeigt CO2-Einsparungsmöglichkeiten auf, die jeder von uns beherzigen sollte. Doch nicht nur jeder Einzelne ist gefordert in punkto Klimaschutz etwas zu unternehmen, letztlich müssen alle gesellschaftlich relevanten Gruppen, Parteien, Verbände und Institutionen zukunftsorientiert handeln und gemeinsame Wege gehen. In einem eigenen Abschnitt wird gezeigt, wer was bewegen muss – von der Automobilindustrie bis zum Zivilschutz. Thomas Weber, verantwortlich für den Bereich Konzernforschung bei der Daimler AG (mit 270.000 Mitarbeitern) meint, dass wir „als Erfinder des Automobils auch seine Zukunft maßgeblich mit gestalten“ werden (S. 217). Naturgemäß setzt er dabei auf clevere technologische Lösungen. Abschließend seien noch einige Beispiele aus dem „Best Practice“-Kapitel erwähnt: „Living Landscapes China“, eine deutsch-chinesische Forschungskooperation (Lilac), die versucht, neue Wege zu finden, damit Landschaften nicht übernutzt werden, der B.A.U.M.-Zukunftsfonds, der in erneuerbare Energien, Energiesparprogramme und Projekte zur umfassen- den Energieeffizienzsteigerung investiert und schließlich die Erfindung eines Pflanzenölkochers, für den unterschiedliche Pflanzenöle als Brennstoff verwendet werden können. (Über 2,5 Milliarden Menschen kochen jeden Tag auf offenen Feuerstellen.) (vgl. S. 220)

 

Ein wichtiges Buch, das dafür wirbt, im Strudel der Finanz- und Wirtschaftsfiaskos der Entwicklung und dem Schutz des Klimas – letztlich die Voraussetzung allen (menschlichen) Lebens – zumindest dieselbe, wenn nicht bei weitem mehr Aufmerksamkeit zu schenken. A. A.

 

Hutter, Claus-Peter; Goris, Eva: Szenario 2035. Die Erde schlägt zurück. Wie der Klimawandel unser Leben verändert. München: Droemer-Verl., 2009.

 

255 S., € 25,-; ISBN 978-3-426-27503-0