The Story of Stuff

Ausgabe: 2010 | 2

Die in Kalifornien lebende Umweltaktivistin Annie Leonard wurde mit ihrem Internet-Film „The Story of Stuff“ weltweit einem Millionenpublikum bekannt. Mit einfachen Zeichentrick-Animationen zeigt die langjährige Mitarbeiterin von Greenpeace International und in der Folge der Global Alliance for Incineration Alternatives (GAIA) die Absurditäten des modernen Konsumismus bzw. des globalisierten Güterwahns auf. Im gleichnamigen, nun auch auf Deutsch vorliegenden Buch – es trägt den Untertitel „Wie wir die Erde zumüllen“ – hat Leonard einmal mehr eine Menge an Daten und Fakten über unsere Wegwerfgesellschaft gesammelt. Wie Goleman setzt auch sie auf Information und Aufklärung – die Untergliederung des Buches in die fünf Bereiche „Rohstoffgewinnung“, „Produktion“, „Distribution“, „Konsum“ und „Entsorgung“ folgt der Geschichte der Produkte von deren Wiege bis zur Bahre (und diese Aufteilung macht das Buch – dies sei nebenbei angemerkt – lesefreundlicher als jenes ihres Kollegen; zudem findet man im Anhang zu allen fünf Bereichen nochmals politische und individuelle Maßnahmen zusammengefasst).

 

Die Autorin bietet eine Fülle an Hintergrundwissen – sei es zum Chemiecocktail unserer Plastikwelt oder zu den globalen Güterketten unserer Handys oder Laptops. Doch mehr als Goleman insistiert Leonard auf politischem Engagement. Sie spricht vom überentwickelten „Konsum-Ich“ bzw. „Konsum-Muskel“ und einem unterentwickelten „Bürger-Ich“ bzw. „Bürger-Muskel“. „Von allen besorgniserregenden Entwicklungstendenzen und Zahlen zum Zustand unseres Planeten“, so schreibt sie, „beunruhigt mich am meisten das Verschwinden unseres Bürger-Ichs.“ (S. 273). Leonard sieht die Ursache hierfür vor allem in der aggressiven und dumm machenden Konsumwerbung, die zum Verfall kultureller und politischer Kompetenz führe. Ein Beispiel: „In Amerika können Zweijährige ihre Markenvorlieben artikulieren, und Teenager verbringen mehr Zeit in Einkaufszentren als mit Lesen oder Lernen, während ungefähr die Hälfte der Erwachsenen es nicht für nötig hält, regelmäßig wählen zu gehen.“ (S. 273).

 

Die Autorin entfaltet in ihrem Buch ein schauriges Panorama unserer „take-make-waste“-Kultur (S. 211), wie sie es nennt, in das auch viel Erfahrungswissen aus Vor-Ort-Recherchen in aller Welt eingehen.  Leonard verharrt jedoch nicht in der Kritik an Negativzuständen, sondern sie zeigt auch Alternativen auf. Neben vielen anregenden Karikaturen taucht immer wieder eine Figur mit einem Schild „Hoffnung“ auf, das auf Positivansätze verweist. So erfährt der Leser/die Leserin, dass es auch dieses andere Amerika gibt – von kritischen, weltweit tätigen NGOs über Initiativen für regionales Wirtschaften bis hin zu Bewegungen eines einfachen Lebensstils („Downsizing“). Die Fülle an vorgestellten Alternativansätzen (siehe Kasten), die vielen Links und Anmerkungen, die um die 400 Seiten des Buches nicht zu sprengen, auf der Homepage zum Buch nachzulesen sind, machen in der Tat Hoffnung und erinnerten den Rezensenten an Robert Jungks „Jahrtausendmensch“, in dem er aus den „Werkstätten der Zukunft“ der beginnenden Bürger- und Sozialbewegungen in den 1970er-Jahren berichtete. Und Dank der umfangreichen Ergänzungen der deutschen Ausgabe durch Roland Weber von der Initiative „Aufbruch“ findet man/frau auch viele Hinweise auf Initiativen und Projekte in Europa bzw. des deutschen Sprachraums. Resümee: Das Buch ist eine wahre Fundgrube für einen Aufbruch in eine nachhaltige, lebendige und lustvolle Gesellschaft, die man später einmal vielleicht als „postkonsumistische Ära“ bezeichnen wird. H. H.

 

Leonard, Annie: The Story of Stuff. Wie wir die Erde zumüllen. Berlin: Econ, 2010. 400 S. € 18,- [D], 18,50 [A], sFr 30,60; ISBN 978-3-430-20083-7