Sozialverträgliche Technikgestaltung

Ausgabe: 1987 | 3

Was mehr als 120 Bürgerlinnen in insgesamt acht Zukunftswerkstätten über ihre Erfahrungen, Erwartungen und Befürchtungen im Umgang mit »neuer« Technik zum Ausdruck bringen, stimmt bedenklich: Im Gegensatz zu den optimistischen Aussagen der Info-Technokraten sehen sie fortschreitende Abhängigkeiten von Maschinen und Expertenwissen als bedrohlich an. Durch fortschreitende Kommunikationstechnologie werde lebendiges Gespräch und persönliche Erfahrung zusehends reduziert; dies führt zur Vereinsamung in einer globalen Scheinwelt. Neue Technologien verstärken das Gefühl umfassender Kontrolle, machen krank durch einseitige Belastung und weitgehende Entsinnlichung. Undurchschaubare, fremdbestimmte Rationalität wird als Gefahr empfunden und macht Angst; Kreativität und Menschlichkeit verkümmern. Welche Alternativen sind denkbar? Vom »Phantastron«, einer Experten-Wissen-Maschine mit unbegrenztem Zugriff für jedermann, fehlerfreundlicher Technik, der Lernbörse (auf Bildungsgutschein), einer Bürger-Widerspruch-Sendung bis hin zum lnfo-Cafe und dem »Hexenpullover« reichen die kreativen Gegenbilder. Die bunten Blumen dieser »Phantasiewiese-, sind vielfach »verrückt«, entstanden ohne den Druck realitätsorientierter Zweckmäßigkeit. Gerade so aber werden - der Methode folgend - Wünsche sichtbar, Kreativität praktisch erlebt. Gedankensplitter verraten nicht nur persönliche Wünsche, sondern sind, nachfolgend an der Realität gemessen, nicht selten Ausgangspunkt konkreter Projekte und Initiativen, die im dritten Abschnitt der Zukunftswerkstätte ausgearbeitet werden.  Wer über gelegentliche orthographische Unzulänglichkeiten hinwegzusehen, vermag, wird diese Broschüre mit Gewinn lesen. Vor allem die überraschend unterschiedlichen und doch konkreten Einwände gegenüber der Computer- Technologie, legen den Blick auf soziale Auswirkungen frei, die im Versprechen der Fortschritts-Ideologien unterschlagen werden. Vor allem der zweite und dritte Abschnitt geben zudem einen informativen Einblick in das didaktische Konzept der Werkstatt-Methode und bieten Anregungen für eigene Versuche. Die Bereitschaft der Landesregierung Nordrhein-Westfalens, die Wünsche der Bürger auf diese innovative Art zu erkunden, kann vom basisdemokratischen Ansatz her nicht hoch genug veranschlagt werden. Inwieweit die Äußerungen bei der Gestaltung der Zukunft tatsächlich berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten und kritisch zu beobachten. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die Nagelprobe des Modells »Zukunftswerkstätte« stets erst anhand der konkreten politischen Umsetzung zu machen ist.

Müller, Norbert R. (u.a.): Computer machen taubstumm. Wir reden darüber. Ergebnisse aus „Zukunftswerkstätten“ im Rahmen des Programms „Mensch und Technik -Sozialverträgliche Technikgestaltung“ der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Ratingen: Eigen-Verl. Zukunftswerkstätten, 1987. 80 S. (Farben der Zukunft; 1)