Schlusskonferenz

Ausgabe: 2015 | 4
Schlusskonferenz

image0232007 hat sich Nick Reimer auf den Weg nach Bali gemacht, nicht etwa mit dem Flugzeug, nein, mit dem Zug arbeitete er sich Wochen lang durch Europa und Asien, musste aber auf dem letzten Stück nach Bali wegen Schlechtwetters doch noch ein Flugzeug besteigen, um rechtzeitig anzukommen (4.8.2015, Süddeutsche Zeitung). Nun zeichnet der rastlose und sachkundige Chefredakteur des Internetportals "klimaretter.info" den zähen Weg der 20 Konferenzen nach und legt kurz vor dem Gipfel in Paris, auf dem der Durchbruch zu einem weltweiten Klimaschutzvertrag erreicht werden soll, eine "Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie" vor, wie der Untertitel programmatisch verspricht. Nach Rio, Kyoto, Kopenhagen soll jetzt in Paris ein neuer Weltklimavertrag unterschrieben werden. Aber wird dies gelingen? COP21 wäre zumindest wieder einmal die Chance, notwendige Schritte einzuleiten. Die Vorbereitungen sind bekanntlich schwierig verlaufen, obwohl weitestgehend Konsens darüber bestand, dass ein Abkommen erzielt werden muss.

Vor knapp 20 Jahren wurde in Japan das erste Klimaschutzabkommen ausgehandelt. Aber das Kyoto-Protokoll ist längst überholt. Allein die USA, China und Indien sind zusammen für knapp die Hälfte aller Kohlendioxidäquivalente verantwortlich, aber nicht vom Kyoto-II-Vertrag betroffen, weil sie als Entwicklungsländer von Reduktionspflichten befreit sind oder wie die USA dieses nicht umgesetzt haben.

Im Abschnitt "Worum es wirklich geht" hält Reimer nicht hinter dem Berg, wer nach seiner Einschätzung für den Klimawandel verantwortlich zeichnet. In hohem Maße sei dies der reiche Norden, der auch entsprechend seine Klimaschuld bezahlen müsste (vgl. S. 104f.). Ein weiteres Thema sind die Geschäfte mit dem Klimaschutz, die kleinen Inselstaaten als Stolperstein für die Klimadiplomaten und nicht zuletzt geht es auch um REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) und LULUCF (Land Use, Land-Use Change and Forestry).

Insgesamt wird wieder einmal deutlich, dass die Klimadiplomatie bisher fast nichts zustande gebracht hat, sieht man einmal von der beobachtbaren Bewusstseinsbildung und einigen Pilotprojekten ab. Dass bei den Klimaverhandlungen die Reduktion der Treibhausgase verhandelt werde, sei ohnehin ein weitverbreiteter Irrtum, denn dort gehe es in erster Linie um Wirtschaftskraft, um Geld, um historische Schuld und um die Wahrung des Gesichts vor den eigenen Wählern, so Reimer. "Schlusskonferenz" ist aber ein letzter, dringender Appell, dass auf der Konferenz in Paris die richtigen Weichen gestellt werden. Ohne allzu großen Optimismus, eher verzweifelt, trägt Nick Reimer seine fundierten Kenntnisse der Materie vor. Sollte in Paris wieder nichts gelingen, fürchtet er auch Schaden für unsere Demokratie. "Bei einem neuerlichen Scheitern wird das System der Klimagipfel jede Legitimität verlieren. Die UNO wäre als Anlaufort für Menschheitsfragen schwer angeschlagen. Paris entscheidet darüber, ob die multiple Krise aus Artenschwund, steigender Weltbevölkerung, abnehmender Ernährungsfähigkeit des Planeten, Rohstoffverknappung und Klimawandel doch noch durch demokratisches Handeln gelöst werden kann." (S. 88) In Paris geht es deshalb auch um die Zukunft der Demokratie, denn der Autor will sich einen "Ausweg Ökodiktatur" gar nicht erst vorstellen. Im Übrigen hofft er darauf, dass eine Bürgerbewegung Druck auf der Straße macht und die Entscheidungsträger in Paris zu einem anderen Handeln bewegen wird. Vorbild ist ihm die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland, die ja bekanntermaßen einiges bewirkt hat. "Die Experten sind sich einig: Erfolgreich werden die Klimadiplomaten nur sein können, wenn die Öffentlichkeit das von ihren Regierungen auch einfordert." (Reimer, S. 168f.) Sollte tatsächlich ein Klimavertrag beschlossen werden, bedarf es ohnehin noch langer Übergangsfristen, damit der Vertrag in nationales Recht umgesetzt werden kann. Alfred Auer

Bei Amazon kaufenReimer, Nick: Schlusskonferenz - Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie. München: Oekom-Verlag, 2015. 208 S., € 14,95 [D], 15,50 [A] ; ISBN 978-3-86581-746-4