Revolution der Demokratie

Ausgabe: 2015 | 3
Revolution der Demokratie

image008Es gibt keine Alternative zur Demokratie, aber es gibt grundsätzliche Alternativen innerhalb des demokratischen Spektrums, so der Sozialphilosoph Johannes Heinrichs. Er hat bereits 2003 einen viel diskutierten Entwurf für eine friedliche Revolution der Demokratie vorgelegt. Herzstück dieser nun in Neuauflage erschienenen „konstruktiven Bewusstseinsrevolution“ ist die Umwandlung der Demokratie in ein wert-gestuftes Vierkammerparlament: ein Wirtschafts-, ein Politik-, ein Kultur- und ein Grundwerteparlament, die unabhängig voneinander gewählt werden, eigenständige Verantwortungen haben und deren Gesetze nach einer Vorrangregelung verbindlich sind. Damit ist der Weg frei für fachspezifische Sach- und Themenparteien. Außerdem konzipiert Heinrichs die Dreiheit von Staat, Privatem und Öffentlichem als Strukturelement der Gewaltenteilung. Zudem will er die direkte gegenüber der repräsentativen Demokratie stärken. „Die Vierheit der Systemebenen und die Dreiheit der Organisationsformen gewährleisten die Verwirklichung des Solidaritäts- und des Rechts(staats)prinzips, welche dem Ideal von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit entsprechen“, so der Nürnberger Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider in seinem Vorwort, in dem er die allumfassende Systematik in der Untersuchung von Heinrichs würdigt.

Scharfe Kritik übt der Autor, er war zuletzt Professor für Sozialökologie in Berlin in der Nachfolger von Rudolf Bahro, an Harald Welzer, der seiner Ansicht nach ziemlich frech mit dem Titel „SelbstDenken“ an die Öffentlichkeit getreten ist. „Dabei brauchten wir Widerstand gegen Gedankenlosigkeiten seiner Art.“ (S. 337) Den hier propagierten „Aufbrüchen von unten“ fehle es am strukturellen Denken, konstatiert Heinrichs. Kritisiert wird auch die von den heutigen Eliten gepriesenen ehernen Marktgesetze und der Slogan „There Is No Alternative“ (TINA). Die weitum proagierte Idee der Basisdemokratie, also ein „nur von Unten“, scheitert in der Praxis nach Heinrichs v. a. daran, dass die Beteiligten aus vielerlei Gründen nicht in der Lage seien, Eigenverantwortung zu übernehmen, weshalb sich in allen basisdemokratischen Projekten hierarchische Strukturen mit z.B. Wortführern und Organisatoren herausbilden.

Demokratie ist für Heinrichs ein ständiger Gestaltungsauftrag. Bereits im ersten Kapitel stellt er ernüchternd fest, dass die deutsche Nachkriegsdemokratie weder theoretisch noch praktisch vollendet sei. Eine zeitgemäße Definition von Demokratie wäre hingegen folgende: „Demokratie ist die Sozialgestalt der Freiheit, eine kommunikative Gesellschaft also eine Gesellschaft mit Gemeinschaftscharakter.“ (S. 339) Zu Selbstbestimmung und Selbstorganisation gehören allerdings intelligentere Strukturen als die der bisherigen Demokratie. Neben dem Mehrheitsprinzip gehört zur Demokratie die Delegation aufgrund von Vertrauen und die sachliche Beratung. Dazu brauche es Sachparteien statt der jetzigen Parteien der strukturellen Unsachlichkeit, so Heinrichs. Alfred Auer

 Heinrichs, Johannes: Revolution der Demokratie. Eine konstruktive Bewusstseinsrevolution. 2., aktual. Aufl. St. Augustin: Academia-Verl., 2014. 354 S., € 26,80 [D], 27,60 [A] ; ISBN978-3-89665-646-9