Reparaturgesellschaft oder Wegwerfkultur

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Nahezu 70 % aller Geschirrspüler und gut die Hälfte aller Waschmaschinen, die ihren Geist aufgegeben haben, so berichtet der Elektroinstallateur Harald Jung aus Ingelheim, sind (so gut wie) ohne Ersatzteile zu reparieren. Wer den selbständig arbeitenden ”Umwelthandworker" zu Hilfe ruft, muß im Durchschnitt mit Kosten von 80 bis 140 DM für eine Instandsetzung rechnen und kommt damit weit besser weg als mit einem Neukauf - auch wenn der Nachbar ob des guten alten Geräts vielleicht die Nase rümpfen mag. Nur wenn nötig, gibt der unabhängige Experte Kaufempfehlungen und kritisiert damit die etablierte Konkurrenz. Industrie und Gewerbe seien in erster Linie am Verkauf interessiert, während ”Reparateure" vor allem die Langlebigkeit der Geräte sowie die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden im Sinn hätten. Was in der Ökologiedabatte mit den Begriffen Effizienz- und Suffizienzrevolution zwar pointiert, aber doch abstrakt auf den Punkt gebracht wird, findet mit dem hier in den Blick gerückten Begriff ”Reparaturgesellschaft" eine handlungsorientierte Ergänzung: Wenn wir es mit der zukunftsverträglichen Gesellschaft ernst meinen, so die Autoren dieses aus einer Initiative der Gewerkschaft der Privatangestellten beim ÖGB hervorgegangenen Bandes, "muß Reparieren wieder ein selbstverständlicher Teil unserer Kultur, muß wieder „In“ werden".

Dabei geht es um mehr als das zu wartende Produkt, denn "Reparatur führt Schritt für Schritt von der Auseinandersetzung mit Produkten über die Qualität von Materialien bis zu einer verantwortungsbewußteren Haltung" (S. 16) - gegenüber dem Eigentum bis hin zur Natur.

Für einen Paradigmenwechsel von der "Verbrauchs zu einer Gebrauchshaltung", weg vom Besitzen, hin zum Nutzen, bedarf es freilich mehr als ‚nur' "kritischer Konsumenten", die ihre subjektiven Bedürfnisse und die Qualität des Produkts (inkl. Gebrauchsanweisungen und Reparaturmöglichkeiten [möglichst] vor Ort) zur Grundlage ihrer Wahl machen. Nicht weniger wichtig wären u. a. die Lockerung einer vielfach rigiden Gewerbeordnung, die das (legale) Arbeiten von Reparateurlnnen in mehreren Sparten behindert, die Einrichtung von Ersatzteilmärkten und Tauschbörsen, die Produktteilen noch lange vor dem Recycling ein ,zweites Leben' sichern, oder auch die Entwicklung einer Struktur, um Nachfrage und Angebot zu stimulieren (Broschüren, Datenbanken). Daß es den Autoren mit diesem Band gelungen ist. den propagierten Wechsel von der Wegwerf- zur Reparaturgesellschaft umfassend, im Einzelnen aber doch auch gut nachvollziehbar darzustellen, ist pauschal zu würdigen. So findet der Leser neben ermutigenden Beispielen des Umbaus (Firmenportraits und Interviews mit Pionieren der Reparatur-Bewegung) konkrete Empfehlungen für das Handeln "vor Ort" und eine Darstellung wichtiger Aspekte der aktuellen Diskussion von Begleitmaßnahmen - Stichworte: Ökosteuer, Wertschöpfungsabgabe, BIT-oder Cybersteuer. Erwähnenswert auch die insgesamt positiven Effekte auf den Arbeitsmarkt bis hin zu dem Vorschlag, die Lebensarbeitszeit aus ökologischen und sozialen Gründen von durchschnittlich 6S.000 Stunden (1990) auf rund 30.000 zu reduzieren.

Aus Kreisen der Gewerkschaft solche Vorschläge zu vernehmen stimmt trotz vieler offener Fragen im Detail, zuversichtlich. Bleibt zu hoffen, daß dieses Buch auch über Österreich hinaus, Wirkung zeigt.

W Sp.


Blau, Evelyn; Weiß, Norbert; Wenisch Antonia: Die Reparaturgesellschaft. Das Ende der Wegwerfkultur. Wien: ÖGB-Verl.,1997.214S., DM 34,- / sFr 31,50 / 6S 248