Rassismus und kolonialer Blick

Ausgabe: 1993 | 1

Mit einer Reise durch mehrere Jahrhunderte europäischer Geistesgeschichte macht der Autor, der an der Gesamthochschule Kassel Internationale Beziehungen und Intergesellschaftliche Beziehungen lehrt un? mehrere Jahre in Namibia lebte, wo er sich der Befreiungsbewegung SWAPO angeschlossen hatte, das   Herrendenken des weißen Mannes überdeutlich. Mit Rassenlehren und "Zivilisierungs" -Phantasien wurden Ausbeutung und Kolonialismus gerechtfertigt und gedeckt. Der deutsche Kolonialismus in Afrika erscheint dabei stringent als geistiger Vorläufer des späteren Nazismus. Daß Rassismus und "kolonialer Blick" keineswegs überwunden sind, sondern in subtileren Formen fortwirken - im Alltagsleben wie in der internationalen Politik -, illustriert der zweite Teil des Buches an Beispielen aus Werbung und Schulbüchern, an Denkfiguren wie "Fortschritt", "Entwicklung" oder "neue Weltordnung", an Phänomenen wie „Exotismus" und Ferntourismus, aber auch an gewissen Vorstellungen von .Ethnopluralismus". die neuerdings auch unter Rechten propagiert werden. Melber geht es aber nicht nur um Rassismus-Kritik, sondern auch um Perspektiven für einen kritischen Internationalismus, der universelle Menschenrechte einfordert und kulturelle Differenz ermöglicht. Insgesamt beeindruckt der Autor durch umfassende Kenntnis der aktuellen politischen, philosophischen und kulturtheoretischen Debatte zum Thema, die er kritisch und konstruktiv aufarbeitet. Als Leitmotiv folgt Melber dabei der Überzeugung, daß der Blick für den "anderen" nur frei werden kann, wenn wir fähig und bereit sind, uns selbst kritisch zu sehen. In diesem Sinne zu lesen ist auch das letzte Kapitel, das sich der Suche nach einer neuen internationalen Solidaritätsarbeit und den Chancen einer globalen Zivilgesellschaft widmet. H. H.

Melber, Henning: Der Weißheit letzter Schluß. Rassismus und kolonialer Blick. Frankfurt/M.: Brandes & Apsel, 1992. 155 S., DM 22,80 / sFr 19,30 / öS 177,80