Alternativen für unsere Gesellschaft

Ausgabe: 2018 | 3
Alternativen für unsere Gesellschaft
Radikale Alternativen?

Radikale Alternativen

Zwei Kritikansätze, die Kapitalismus und Entwicklung nach dem westlichen Konsummodell in Frage stellen, vereint ein Band, der „Radikale Alternativen“ verspricht. Der ecuadorianische Volkswirt Alberto Costa beschreibt darin das Wirtschaftsmodell des „Extraktivismus“. Der setzt darauf an, Entwicklung in den Ländern des Südens durch die Ausbeutung der eigenen Rohstoffvorkommen in Gang zu setzen. Bekannt ist die unheilvolle Allianz korrupter Regime mit internationalen Konzernen, die sich an Bodenschätzen bereichern, ohne die eigene Bevölkerung an deren Verarbeitung zu beteiligen. Acosta kritisiert aber, dass sich in Lateinamerika auch linke Regierungen diesem Prinzip verschrieben hätten in der Hoffnung, damit das eigene Land voranzubringen: In durchaus hehrer Absicht, aber mit denselben negativen Folgen für die Umwelt und ihre Bewohner, die Indigenas, die seit vielen Jahrhunderten mit und von der Natur lebten. Der Ökonom spricht dabei von „Neo-Extraktivismus“.

Das Pendant auf der Seite der westlichen Konsumgesellschaften beschreibt der an der Universität Wien lehrende Politikwissenschaftler Ulrich Brand einmal mehr mit der „imperialen Lebensweise“ (s. PZ 4/2017). Er zeigt die Verstrickungen unseres ressourcenintensiven Konsumierens in die Ausbeutungsverhältnisse in den Ländern des Südens auf, auch als „kapitalistische Landnahme“ bezeichnet.

Die Analysen beider Autoren sind zutreffend, dünner fallen freilich die im Titel versprochenen „radikalen Alternativen“ aus. Acosta insistiert auf der Bewegung des „Buen Vivir“, die ein einfaches Leben in Harmonie mit der Natur propagiert (er hat als Präsident der verfassungsgebenden Versammlung Ecuadors maßgeblich dazu beigetragen, dass die Rechte der Natur in die Verfassung des Andenstaates aufgenommen wurden, (s. www.prozukunft.org). Der Autor muss jedoch eingestehen, dass auch in Lateinamerika das konsumistische Lebensmodell offensichtlich höhere Attraktivität genießt. Ulrich Brand fordert den Übergang in Postwachstumsgesellschaften und schließlich die „Überwindung des Kapitalismus“, die im Untertitel des Buches angesprochen wird. Er argumentiert als Politikwissenschaftler und nicht als Ökonom; er zeigt keine Wege auf, wie die Transformation ökonomisch gelingen könnte. Offen bleibt, ob er eine Neujustierung des Wohlfahrtsstaates unter Postwachstumsbedingungen in einem gezähmten Kapitalismus oder ein radikal anderes Wirtschaften in dezentralen Genossenschaften präferiert. Hinweise auf Ernährungs- und Energiesouveränität weisen in die zweite Richtung.

Die Armut des kapitalistischen Reichtums 

Nachhaltigkeit und Alternativen

Ähnlich liegt das Problem bei einem neuen Band des Soziologen Meinhard Creydt, der auf eine „nachkapitalistische Zukunft“ setzt. Nach den durchaus präzisen Analysen über die Defizite des Kapitalismus (sozialer und kultureller Art) lässt er nur vage Vorstellungen folgen, wie der nachkapitalistische Zustand erreicht werden sollte. In Absetzung von Ulrich Brand, dessen „imperiale Lebensweise“ er als subjektivistisch abtut (S. 183), hofft Creydt auf die Verwirklichung des Menschen in der Arbeit in vergesellschafteten Betrieben. Diese „solidarische Ökonomie“ existiert freilich derzeit nur in Nischen Zwei Kritikansätze, die Kapitalismus und Entwicklung nach dem westlichen Konsummodell in Frage stellen, vereint ein Band, der „Radikale Alternativen“ verspricht. Der ecuadorianische Volkswirt Alberto Costa beschreibt darin das Wirtschaftsmodell des „Extraktivismus“. Der setzt darauf an, Entwicklung in den Ländern des Südens durch die Ausbeutung der eigenen Rohstoffvorkommen in Gang zu setzen. Bekannt ist die unheilvolle Allianz korrupter Regime mit internationalen Konzernen, die sich an Bodenschätzen bereichern, ohne die eigene Bevölkerung an deren Verarbeitung zu beteiligen. Acosta kritisiert aber, dass sich in Lateinamerika auch linke Regierungen der Rohstoffausbeute verschrieben hätten in der Hoffnung, damit das eigene Land voranzubringen: In durchaus hehrer Absicht, aber mit denselben negativen Folgen für die Umwelt und ihre Bewohner, die Indigenas, die seit vielen Jahrhunderten mit und von der Natur lebten. Der Ökonom spricht dabei von „Neo-Extraktivismus“.

Das Pendant auf der Seite der westlichen Konsumgesellschaften beschreibt der an der Universität Wien lehrende Politikwissenschaftler Ulrich Brand einmal mehr mit der „imperialen Lebensweise“ (s. PZ 4/2017). Er zeigt die Verstrickungen unseres ressourcenintensiven Konsumierens in die Ausbeutungsverhältnisse in den Ländern des Südens auch als „kapitalistische Landnahme“ auf.

Die Analysen beider Autoren sind zutreffend, dünner fallen freilich die im Titel versprochenen „radikalen Alternativen“ aus. Acosta insistiert auf der Bewegung des „Buen Vivir“, die ein einfaches Leben in Harmonie mit der Natur propagiert (er hat als Präsident der verfassungsgebenden Versammlung Ecuadors maßgeblich dazu beigetragen, dass die Rechte der Natur in die Verfassung des Andenstaates aufgenommen wurden, (s. PZ 3/2015). Der Autor muss jedoch eingestehen, dass auch in Lateinamerika das konsumistische Lebensmodell offensichtlich höhere Attraktivität genießt. Ulrich Brand fordert – wie andere – den Übergang in Postwachstumsgesellschaften und schließlich die „Überwindung des Kapitalismus“. Pfade, wie die ökonomische Transformation gelingen könnte, bleiben freilich vage. Offen bleibt, wie die Konsumgesellschaft überwunden und der Kapitalismus abgeschafft werden sollen, wie ein radikal anderes Wirtschaften aussehen soll. Das Plädoyer für Ernährungs- und Energiesouveränität legt eine Ökonomie der Basisbedürfnisse in stark dezentralisierten Strukturen nahe.

Hans Holzinger

 

Bei Amazon kaufenAcosta, Alberto; Brand, Ulrich: Radikale Alternativen. Warum man den Kapitalismus nur mit vereinten Kräften überwinden kann. München: oekom, 2017. 191 S., € 16,- [D], € 16,50 [A] ; ISBN 978-3-96238-014-4

Bei Amazon kaufenCreydt, Meinhard: Die Armut des kapitalistischen Reichtums und das gute Leben. Ökonomie, Lebensweise u. Nachhaltigkeit. München: oekom, 2017. 209 S., € 19,- [D],

19,60 [A] ; ISBN 978-3-96238-004-5