Präventive Abfallpolitik

Ausgabe: 1993 | 2

Den Begriff der Abfallvermeidung an vorderster Stelle in Abfallgesetzen zu verwenden heißt, Modernität zu signalisieren, heißt, das Wissen darüber zu beweisen, wo anzusetzen wäre, um den ungeheuren Energiedurchsatz unserer Konsumgesellschaft zu bremsen. Die Wirklichkeit ordnet den Begriff der Abfallvermeidung innerhalb der Abfallwirtschaft anders ein: Ihr Erfolg ist derzeit vor allem spekulativ. Man kann den Verdacht äußern, die Zuwachsraten des Abfallaufkommens wären ohne diesen abfallpolitischen Grundsatz noch höher. Dabei ist alles andere als Abfallvemeidung - an der unter den gegebenen Rahmenbedingungen mit ihren billigen Energie- und Rohstoffpreisen eigentlich niemand so recht interessiert ist - eine primitive End-of-pipe-Technologie. Durch nachgeschaltete Umweltschutz- und Abfallpolitik, so lautet die These von Rolf Kreibich, wird eher quantitatives als qualitatives Wachstum induziert, und die dafür notwendigen hohen Investitionen schieben die Umsetzung präventiver Strategien und Maßnahmen nur noch weiter hinaus.  Auch das Recycling - großer Hoffnungs- und Umsatzträger der Entsorgungswirtschaft sowie Absolutionsideal konsumorientierter Zeitgenossen - zielt zu kurz, wenn es bloß für sich selbst lebt und nicht schon in die Konstruktions- bzw. Produktidee eingeflossen ist. Abfallvermeidung ist eine Herausforderung an alle und alleine deswegen schon kein abfallpolitisches Ruck-Zuck-Rezept, sondern wie die Präventivmedizin erst mittelfristig wirksam. Zudem ist sie auf die Unterstützung anderer Politikbereiche angewiesen und die daraus resultierenden Signalwirkungen. Erst (umwelt-) kostengerechte Rohstoff- und Energiepreise lassen abfallvermeidende Strategien für Unternehmen als Wettbewerbsvorteile deutlicher hervortreten. In Aufsätzen werden Theorie und Praxis der Abfallvermeidung in Politik und Wirtschaft beleuchtet und damit ein guter Überblick und ein realistischer Ausblick auf ihre Möglichkeiten gegeben. Abfallvermeidung wird kein Traum bleiben, wenn Nachhaltigkeit zu einem Grundsatz des Handelns wird und wenn vor allem ihre Vorteile besser vermittelt werden können. So wie in diesem Buch. W. H.

Vermeiden statt Entsorgen: präventive Abfallpolitik. Hrsg. v. Rolf Kreibich ... Wein heim (u.a.): Beltz-Verl., 1993. (ZukunftsStudien; 9), 148 S., DM 26,- / sFr 22,- / öS 203