Politischer Widerstand. Psychoanalytische Perspektiven

Ausgabe: 1988 | 2

Die Leiterin des privaten Instituts für Politische Psychoanalyse in München legt eine neue Theorie des politischen Widerstandes vor, in der die bisher als weiblich beschriebenen Fähigkeiten wie Einfühlung, Mitleid und Fürsorge eine zentrale Rolle spielen. Ihre These ist, daß Männer und Frauen nur gemeinsam sowohl in den privaten Beziehungen als auch im politischen Handeln Veränderungen bewirken können. Persönliches und politisches Engagement werden nicht mehr als getrennt angesehen. Die Menschen müssen ihr Verhalten - auch die Passivität - als Handeln verstehen und dafür die Verantwortung übernehmen.

"Der ,aufrechte Gang' entsteht nicht durch das Heraustreten aus dem Schatten der Geschichte, sondern durch die sachliche und emotionale Beschäftigung mit der Vergangenheit, durch das Akzeptieren der (...) Wahrheit." Diese Trauerarbeit ermöglicht erst eine Annäherung an die Realität der Zukunft. In einer Gesellschaft der Zukunft soll es nicht mehr Klassen, sondern "netzartige" Beziehungen zwischen den Menschen geben: "Solange wir uns nur als hilflose Opfer der gesellschaftlichen Verhältnisse sehen, solange wir ,das System' als nur gegen uns gerichtet und als nur außerhalb von uns befindlich - nicht von uns mitgestaltet - verstehen, so lange werden wir politisch passiv bleiben in unserer ,großen' und ,kleinen' Politik." Um dies zu erreichen, bedarf es der Bereitschaft zu lebendiger Konfliktfähigkeit.

Bauriedl, Thea: Das Leben riskieren. Psychoanalytische Perspektiven des politischen Widerstandes. München: Piper, 1988.215 S. DM 29,80 / sfr 25,20 / öS 232,40