Politische Utopien der Neuzeit

Ausgabe: 1991 | 2

Auch Saage widersteht der Versuchung, das utopische Denken als Ganzes zu verabschieden. Für ihn steht nach den Reformen in der ehemaligen DDR lediglich fest, dass die Utopie eines Dritten Weges jenseits von Kapitalismus und Staatssozialismus keine Chance mehr auf Verwirklichung hat. Durch eine kritische Bestandsaufnahme des historischen Ursprungs und der konkreten Erscheinungsformen steht hier der Versuch im Mittelpunkt, sinnvolle Antworten bzw. neue Möglichkeiten im Utopiediskurs zu finden. Ausgehend von der „Politeia" des Platon und der "Utopia" des Thomas Morus vergleicht Saage die klassischen Utopien der Renaissance und der Reformation mit jenen späterer Jahrhunderte bis zur Gegenwart. Der Göttinger Politikwissenschaftler liefert eine sorgfältige ideengeschichtliche Darstellung der Utopien, wobei ihre epochenspezifischen Veränderungen besonders herausgearbeitet werden. Er kommt zu dem Ergebnis, dass politische Utopien hauptsachlich aus der Sozialstruktur, aus dessen Rahmen sie entstanden sind, begriffen werden können. Das Ende der Utopie sieht der Autor insofern nicht gekommen, als der Problemdruck, aus dem sie ihre Legitimität begründen kann, nach wie vor besteht: die Utopie als regulatives Prinzip, als Korrektiv gegenüber den erkennbaren gesellschaftlichen und globalen Fehlentwicklungen. Zu Recht weist Saage auf "eine Art Renaissance des Utopischen sowohl in seiner gelebten als auch in seiner literarischen Ausprägung" seit Anfang der 70er Jahre hin, "die sich als alternative Projekte in den Nischen unserer Gesellschaft ansiedelten". Vor dem Hintergrund der Möglichkeiten der Selbstzerstörung der Menschheit hält er heute eine positive Utopie nur mehr dann für glaubwürdig, "wenn sie teilweise zu ihren Anfängen zurückkehrt: zum Geltungsanspruch der Raum-Utopie als eines regulativen Prinzips, das die Menschen zu motivieren sucht, mit   ihren materiellen Ressourcen sparsam und mit ihren psychischen und geistigen Potentialen solidarisch umzugehen". Dabei ist auch der Ausgleich zwischen den Rechten des Einzelnen und den Ansprüchen des Ganzen zu suchen. Ideengeschichte Utopie

Saage, Richard: Politische Utopien der Neuzeit. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1991.364 S., DM 49,-/ sFr 41,50/ öS 382,20