Politikwissenschaftliche Umweltforschung

Ausgabe: 1993 | 2

So wie die Wahrnehmung ökologischer Probleme und die Chance ihrer Bewältigung materiellen Wohlstand und demokratische Strukturen - zwei Erfolge der Moderne - zur Voraussetzung hätten, so wirke der Problemdruck der ökologischen Herausforderungen zurück auf die Modernisierung wirtschaftlicher und politischer Systeme. Diese These - kurz als "reflexive Modernisierung" bezeichnet - verfolgen die Mehrzahl der im vorliegenden Band versammelten Beiträge, die nur exemplarisch nachgezeichnet werden können. Ökologische Modernisierung bedeutet für Martin Jänicke Beschleunigung und Änderung der Entwicklungsrichtung des technischen Fortschritts von d.er steigenden zur sinkenden Intensität von Energie, Transport, Abfall und Risiko. In der politischen Modernisierung, die vom reaktiven zum antizipativen Politikmuster übergehe und bestimmt werde durch mehr Offenheit des Informationssystems und der Parteien, sieht der Politikwissenschaftler größere Freiräume für Regionen und Kommunen. Sein Berufskollege Horst Zilleßen erörtert im Sinne der „Enthierarchisierung von Staat und Gesellschaft" Wege der Institutionalisierung neuer Poltikformen, etwa durch "nationale Politik-Foren", in denen Wissenschaftler gemeinsam mit Vertretern von Verbänden, Parteien und Bürgergruppen an wichtigen, strittigen politischen Fragen arbeiten und Aussagerecht vor den politischen Gremien erhalten. Der "strukturellen Verantwortungslosigkeit" könnte durch einen Rat oder eine Kammer abgeholfen werden, deren Mitglieder bei grundlegenden und langfristig wirkenden Entscheidungen des Parlaments da~ Recht auf ein aufschiebendes Veto erhalten, um Zelt für die erneute öffentliche Debatte zu gewinnen. Der Herausgeber erörtert die Problematik der "globalen Güter" und versucht eine Verbindung „reichtumsökologischer" Ansätze der Industriestaaten mit "knappheitsökologischen " Konzepten vorindustrieller Gesellschaften, die beide voneinander profitieren und lernen könnten. Den Kontrapunkt zu den durchwegs optimistischen Konzepten einer ökologischen Modernisierunq setzt P.c. Mayer-Tasch mit seiner "Politischen Ökologie". die das "ökologische Dekadenzgeschehen" der Gegenwart als Folge des wissenschaftlich-technischen Zeitalters bzw. als "Ausfluß der Verwirrung des menschlichen Geistes" ausmacht und einen grundlegenden, den Menschen als Teil der Natur wahrnehmenden Wandel unserer Kultur und Gesellschaft fordert. H. H.

Umweltpolitik als Modernisierungsprozeß.  Politikwissenschaftliche Umweltforschung und -lehre In der Bundesrepublik. Hrsg. v. Volker von Prittwitz. Opladen: Leske + Budrich, 1993. 2765., DM 39 / sFr33,- / öS 403,20