Die Gegenwart der Zukunft

Ausgabe: 2000 | 2

Prognosen sind für den Herausgeber mit Sicherheit keine Naturgesetze oder gar Schicksal. Alles ist, so Klaus Podak in seinem Vorwort, von Menschen gemacht, ob es sich um das aus der Natur drohende Unheil (Klimakatastrophe), um Kriege, ethnische Konflikte, Armut oder Überbevölkerung handelt. Das wahre Rätsel ist für ihn, dass zwar die Mittel zur Lösung der größten Menschheitsprobleme bereitstehen, aber trotzdem - allen Beteuerungen zum Trotz - wenig geschieht. Er zumindest will das nicht hinnehmen und sieht als einzigen Ausweg den Gebrauch der Vernunft, denn „ohne Vernunft, die geschmähte, verlachte, verhöhnte, ohne solidarische Vernunft geht gar nichts“ (S. 14).

Die Beiträge, fast ausnahmslos verfasst von klingenden Namen der „Zukunftsszene“, versprechen auf den ersten Blick einiges an Anregung für eine positive Zukunftsgestaltung. Die meisten Autoren haben in jüngster Zeit vielbeachtete oder gar aufsehenerregende Bücher publiziert. Kenner der Szene werden jedoch bald feststellen, dass kaum neue Ideen oder gar bahnbrechende Lösungen zu finden sind. Wer aber eine Zusammenschau bzw. einen Überblick über wichtige Gedanken zur Zukunft und bereits bekannte Problemlösungsvorschläge sucht, der ist mit diesem Band gut bedient.

Einmal mehr erfahren wir Wissenswertes über die Gefahr der Klimaerwärmung (Hans-Joachim Schellnhuber), hören flammende Appelle für eine effizientere Nutzung der Sonnenenergie (Robert Priddle) und sucht Neil Postman nach dem Sinn des technischen Fortschritts. Er plädiert für den Gebrauch gelassener Vernunft gegenüber dem Furor technologischer Innovationen. Technikfeindschaft hält er für eine Dummheit und im übrigen „ist immer zu fragen, ob die Technik auch das Leben verbessert“ (S. 102). Die Anglo-Amerikanisierung der Sprachen, Museen im 21. Jahrhundert als Gegenstimme zur visuellen Reizüberflutung, Fußball, Bioenergetik, Hirnforschung und nicht zuletzt Künstliche Intelligenz sind weitere Themen. Jurij Afanassjew macht sich Gedanken über Russland an der Jahrtausendschwelle und meint, dass von dort weiterhin Gefahr für die Welt ausgehen wird. Weiters beschäftigt sich Samuel P. Huntington mit Weltpolitik im 21. Jahrhundert und Lester Thurow mit der Zukunft des Kapitalismus

Francis Fukuyama revidiert seine These vom Ende der Geschichte mit der Begründung, dass er damals von einer unveränderlichen Natur des Menschen ausgegangen sei und die biotechnologische Revolution nicht berücksichtigt habe, die das Wesen des Menschen manipulierbar mache. Schließlich beschreibt Arthur C. Clarke in seinem (sehr) kurzen Abriss der Geschichte die kommenden hundert Jahre: Seinen Vorstellungen nach wird es 2002 den ersten kommerziellen Reaktor geben, der saubere und sichere Energie mittels Kernreaktionen auf niedrigem Temperaturniveau produziert. 2016 werden alle Währungen der Welt abgeschafft und die Einheit einer Megawattstunde als Zahlungsmittel eingeführt. Im Jahre 2020 wird schließlich Künstliche Intelligenz das Niveau des Menschen erreicht haben. Weitere Prognosen bis zum Jahr 2095 sind schließlich dazu angetan, nicht allzu ernst genommen zu werden. A. A.

Die Gegenwart der Zukunft. Die Serie der „Süddeutschen Zeitung“ über unsere Welt im neuen Jahrhundert. Berlin: Wagenbach, 2000. 238 S., DM / sFr 19,80 / öS 145,-