Philosophie des Geldes

Ausgabe: 2015 | 3

hristoph Türcke spannt in seinem umfangreichen Werk über die „Philosophie des Geldes“ einen weiten Bogen von der Entstehung des Geldes, die er nicht mit dem Aufkommen von Münzen, sondern bereits mit den Opferungen früher Kulturen an die Götter datiert, bis herauf zur aktuellen Finanzkrise, ehe auch er zu ähnlichen Schlüssen kommt wie Streek (s.o.). Der Philosoph sieht als wichtige Zäsur die Aufhebung der Golddeckung der Währungen, die in eine „neue Leichtigkeit des Schuldenmachens“ (S. 335) geführt hätte. Als weiteren markanten Einschnitt nach der Überschuldung der Entwicklungsländer mit überschüssigen Petrodollars in den 1970er-Jahren macht der Autor die mikroelektronische Revolution aus, die erstmals das ermöglicht hatte, was mit „Jobless Growth“ beschrieben wird, zugleich die Finanzwelt revolutionierte und ihr den Nimbus der globalen Selbststeuerung ohne Regulierungsnotwendigkeit verschafft habe. Türk spricht von „Marktfundamentalismus“, welcher den „Goldfundamentalismus“ abgelöst habe. Die neoliberale Wende habe zugleich die Ära des „strukturell bedingten Staatsschuldenwachstums“ (S. 380) eingeleitet.

Das Ergebnis ist bekannt. Die De-Regulierung der Finanzmärkte führte in die Finanzkrise von 2008 und diese in weitere Steigerungen der Staatsschulden zwecks Rettung von Banken. In den Worten von Türk ein „neoliberaler Staatsbankrott“ bzw. „umgekrempelter Keynesianismus“: „Staatsverschuldung nicht bei, sondern für Banken“ oder noch schlimmer „Rettung von Banken durch den Staat vom Finanzmarkt“ (S. 386). Wie Streek sieht Türcke hier eine demokratiepolitische Sackgasse, die nicht mehr das Geringste mit Keynes´ „Deficit Spending“ zu tun habe.

Türcke hält Forderungen wie Schuldenschnitte, Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, Abkommen gegen Kapitalflucht und Steuerschlupflöcher für sinnvoll, da sie Schritte in die richtige Richtung seien und „Appetit auf tiefere Eingriffe“ (S. 463) machen würden. Auch ein neues „Bretton Woods“ oder ein „Euro-Bancor“ seien denkbar. Doch am Ende müsste mehr stehen, nämlich die Überwindung des Geldes. „Geld kam in die Welt, um seine Anlässe zu beseitigen und damit sich selbst überflüssig zu machen“ (S. 467) – damit lässt uns der Autor am Ende freilich allein.

Hans Holzinger

Türcke, Christoph:  Philosophie des Geldes. München: C. H. Beck, 2015. 480 S. € 29,95 [D], 30,80 [A] ISBN 978-3-406-674570-0

„Wie der IWF im Kraftfeld der USA die Verwaltung der Schuldenkrise der Dritten Welt übernahm, so tut es nun der ESM im Kraftfeld Deutschlands und Frankreichs mit der Schuldenkrise Europas.“ (Türcke S. 390)

„Solange die Regierungen die Staatsverschuldung eher durch Anleihen auf den Finanzmärkten zu dämpfen suchen als durch steuerliche Abschöpfung der auf diesen Märkten umlaufenden Billionen, machen sie faktisch mehr gemeinsame Sache mit der neoliberalen Finanzwelt als mit den Bürgern, in deren Namen sie zu handeln vorgeben.“ (Türcke  S. 460)