Naturwissenschaftliche Erkenntnis in der Verantwortung

Ausgabe: 1988 | 1

In der Debatte, die mehr noch als für die Gegenwart für die Erhaltung der Zukunft bedeutsam ist, vernahm man in den vergangenen vier Jahren immer häufiger die Stimme des bedeutenden deutschen Physikers Hans-Peter Dürr. In Zeitschriftenaufsätzen, Zeitungsartikeln, Vorträgen, Diskussionsbeiträgen auf Veranstaltungen und in den elektronischen Medien setzte sich der als Direktor eines Max-Planck-Instituts auch vom "scientific establishment" anerkannte Forscher kritisch mit der Rolle der häufig genug zur "Machen"schaft gewordenen Wissenschaft auseinander. Daß da nicht ein Außenseiter, sondern ein Etablierter es riskierte, die Verantwortung' des Grundlagenforschers für die Folgen seiner Arbeiten so kompromißlos herauszustreichen, erregte berechtigte Aufmerksamkeit.

Nun sind diese mutigen gutbegründeten Stellungnahmen in einem Band vereint. "Eine gedankliche Zusammengehörigkeit und Kontinuität schimmert bei all den verschiedenen Aufsätzen hindurch." So bewertet der Autor selbst diese Sammlung von Einzelarbeiten, in denen die neuen Positionen eines erweiterten Wissenschaftsverständnisses allgemein verständlich und überzeugend entwickelt werden. Außer den drei Teilen "Physik und Erkenntnis", "Wissenschaftsethik und ihre praktische Umsetzung", „Friedenspolitik", ist in dem Buch eine durch ihre Ehrlichkeit bestechende Skizze des bisherigen Lebenswegs beigegeben. Aus ihr erfährt man aus erster Hand, wie ein von den Wirren des Krieges und der ersten Nachkriegszeit tief Betroffener seinen Weg zu einem bedeutsamen gesellschaftlichen Engagement fand, das heute schon beispielhaft auf viele seiner Kollegen gewirkt hat: ein wichtiger wissenschaftsgeschichtlicher und zeithistorischer Beitrag.

Dürr, Hans-Peter: Das Netz des Physikers. Naturwissenschaftliche Erkenntnis in der Verantwortung. München: Hanser, 1988, 490 S. DM 48,- / sfr 40,25/ öS 374,40