Nachrichten aus der Weltinnenpolitik

Ausgabe: 2011 | 3

Endlich – so könnte man sagen – wird nicht mehr nur über Armut, sondern auch über ihr Pendant, den Reichtum, diskutiert. In den Medien sind es JournalistInnen wie etwa Ulrike Herrmann von der deutschen taz, die die zunehmende Vermögenskonzentration in den Händen Weniger bei gleichzeitiger Ausweitung prekärer Lebensverhältnisse kritisieren. In den Wissenschaften nimmt sich die Reichtums- und Vermögensforschung des Themas an. Hans Holzinger analysiert im Folgenden aktuelle Publikationen, wobei er Arm und Reich in globaler Perspektive ebenso beleuchtet wie innerhalb der „reichen“ Gesellschaften.

 

 

 

 

 

Transnationale soziale Ungleichheit

 

„Das weltinnenpolitische Outsourcing – das Abwälzen von Risiken und Verantwortung auf schwache Andere, die für wenig Geld den Reichen die schmutzige Arbeit vom Halse halten – ist zu einer entscheidenden globalen Profitquelle geworden, in der sich über alle Grenzen hinweg die Herrschaft der Reichen, die Ausbeutung der Armen und die Zerstörung der Natur neu bündeln und radikalisieren.“ Damit bringt Ulrich Beck in „Nachrichten aus der Weltinnenpolitik“ die doppelte Ausbeutung der Reichen durch die Armen auf den Punkt (S. 13 f). In seinen gesammelten Kolumnen aus der Frankfurter Rundschau hält der Soziologe mit seiner Kritik an der Art, wie die Finanzkrise gemeistert wurde, nicht hinter dem Berg. Die Banken würden wieder satte Gewinne machen, indem man die Krise selbst zu einem Geschäft macht: „Nicht mit Schrottpapieren, sondern mit Staatsanleihen wird spekuliert. Mit jenem Geld also, das der Staat aufnehmen muss, um den Kapitalismus vor sich zu retten.“ (S. 15) Becks zentrale These: Armut und Reichtum habe es immer gegeben, neu in der globalisierten Welt sei jedoch, dass alle von einander wissen und dass „soziale Gleichheit zu einer weltweiten Erwartung geworden ist und die wachsenden Ungleichheiten weder als gottgewollt gerechtfertigt noch hinter nationalstaatlichen Mauern versteckt werden kann.“ (S. 22)

 

Vertiefend dargestellt werden die globalen Fragmentierungsprozesse in dem von Beck gemeinsam mit Angelika Poferl herausgegebenen Band „Große Armut, großer Reichtum“, der sich eine „kosmopolitische Soziologie sozialer Ungleichheiten“ (S. 18) zum Ziel gesetzt hat. Dieser gehe es nicht um die „Feiertagsrhetorik einer kosmopolitischen Weltverbrüderung“, sondern darum, „in Alltag, Politik und Wissenschaft die Aufmerksamkeit zu schärfen für die entgrenzte soziale und politische Explosivität wachsender Ungleichheiten zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ (S. 19). Versammelt werden internationale, mehrheitlich bereits anderswo erschienene Beiträge unterschiedlichen Datums zu insgesamt sechs Abschnitten – von theoretischen Grundlegungen über „Weltsystemkonzepte“ (u. a. mit einem Beitrag von Immanuel Wallerstein) und „transnationale Räume und Klassen“ bis hin zu Exklusionsaspekten durch „Arbeit, Armut, Migration, Geschlecht“ sowie schließlich zwei ausblickenden Abschnitten zur „transnationalen Staatsbürgerschaft“ sowie zu „Globalen Gerechtigkeitskonzepten“ (u. a. mit einem Aufsatz von Amartya Sen, um noch einen klingenden Namen zu nennen).

 

In unserem Zusammenhang von Interesse ist etwa der Versuch, eine „transnationale Klasse des Kapitals“ zu fassen zu kriegen. Diese weise mittlerweile über die klassischen Kapitalisten hinaus, so Leslie Sklair, der vier Gruppen nennt: 1. das Führungspersonal der transnationalen Unternehmen („die die Wirtschaft repräsentierende Gruppe“), 2. global ausgerichtete Bürokraten und Politiker („die den Staat repräsentierende Gruppe“), 3. global ausgerichtete Fachleute („die für das Expertenwissen zuständige Gruppe“), 4. Geschäftsleute und Medien („die für den Konsumismus zuständige Gruppe“, S. 273).

 

Mehrere Beiträge zeigen auf, dass der Großteil des Welthandels sowie der Kapitalinvestitionen nach wie vor zwischen den hoch entwickelten Staaten der „Triade“ – Nordamerika, Europa und Ostasien – abgewickelt werden. Nur wenig profitieren die Entwicklungsländer von der Globalisierung. Selbst klassische Industrietätigkeiten würden, so etwa Robert Hunter Wade, nur bedingt in Niedriglohnländer ausgelagert, da die Arbeitskosten in hoch automatisierten Montageprozessen nur mehr zehn oder weniger Prozent an den Gesamtkosten ausmachten, die Lohnstückkosten aufgrund niedrigerer Produktivität in Entwicklungsländern meist nicht niedriger seien als in hoch industrialisierten Ländern. Das Fazit des Experten: „Das absolute Einkommensgefälle zwischen dem Westen und der übrigen Welt wird größer, was auch für relativ schnell wachsende Länder wie China und Indien gilt, und wird sich in den nächsten fünfzig Jahren wahrscheinlich weiter vergrößern.“(S. 431) H. H.

 

 

 

Beck, Ulrich: Nachrichten aus der Weltinnenpolitik. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2009. 150 S., € 10,- [D], 10,30 [A], sFr 17,-

 

ISBN 978-3-518-12619-6

 

Große Armut, großer Reichtum. Zur Transnationalisierung sozialer Ungleichheit. Hrsg. v. Ulrich Beck u. a. Frankfurt/M.: Suhrkamp 2010. 694 S., € 18,- [D], 18,50 [A], sFr 30,60

 

ISBN 978-3-518-12614-1