Thomas Ramge

Mensch und Maschine

Ausgabe: 2019 | 1
Mensch und Maschine

Thomas Ramge, unter anderem Journalist für The Economist, ist mit einem schmalen Reclam-Band gelungen, das Thema Künstliche Intelligenz kompakt und übersichtlich aufzubereiten. Auch Neulinge in diesem Themenfeld finden sich rasch zurecht und erhalten nicht nur einen historischen Überblick, sondern werden auch über die Chancen und Risiken der digitalen Vernetzung aufgeklärt.

Der Autor bemerkt, dass in der Forschung zu KI in den letzten Jahren eine Art „kambrische Explosion“ stattgefunden hat, welche unsere Zivilisation von Grund auf ändern wird (vgl. S. 9f.). Vor allem das Lernen gilt als zentrales Merkmal künstlicher Intelligenz: Durch das permanente Sammeln von „Feedback-Daten“ generieren intelligente Maschinen Erfahrung, aus welcher Erkenntnis abgeleitet wird. Der Mensch setzt nur mehr den Rahmen, innerhalb dessen die Maschine lernt.

Was das für die Arbeitswelt der Menschen bedeutet, ist umstritten: Während OptimistInnen von Wirtschafts- und Produktivitätswachstum schwärmen, sehen PessimistInnen ein Zeitalter der Massenarbeitslosigkeit heraufdräuen. Tatsächlich sind die zukünftigen Beschäftigungseffekte von Digitalisierung unklar – viel deutet darauf hin, dass es im Bereich Automatisierung GewinnerInnen wie VerliererInnen geben wird. Überspitzt formuliert: „Die Digitalisierung spaltet den Arbeitsmarkt in lovely and lousy jobs. Angenehme und gut bezahlte für gut ausgebildete Digitalisierungsgewinner, und zwar besonders für jene, welche die Werkzeuge des Datenkapitalismus bauen und bedienen. Der Rest muss bei Regen Pakete ausfahren“ (S. 24). Gleichzeitig stehen auch hochqualifizierte Jobs zur Disposition: Im Bereich der medizinischen Diagnostik hat KI bereits den Menschen überflügelt; Maschinen erstellen Rechtsgutachten.

Künstliche Intelligenz erfordert eine kritische Haltung

Ramge betont, dass eine dystopische „Unterjochung“ der Menschheit durch künstliche Intelligenz ins Reich der Mythen gehört – dass aber eine kritische Haltung zu KI-Systemen notwendig ist: „Verblüffend (...) ist, wie menschlich die Schwächen von KI-Systemen wirken. So tendieren auch neuronale Netze zu Vorurteilen, die nicht vom Entwickler einprogrammiert wurden, sondern sich implizit aus den Trainingsdaten ergeben können“ (S. 26). So könnte eine Maschine ausrechnen, dass Radfahrer mit gelben Helmen und 8-Gang-Schaltungen nicht kreditwürdig seien – auch wenn das offensichtlich unsinnig sei. Vor allem: „Das erlernte Vorurteil ist umso gefährlicher, weil die Maschine es nicht offenlegt“ (S. 26). Kritische Distanz zu Maschinenwissen ist daher zentral, ebenso Reflexion darüber, welche Entscheidungen nicht Algorithmen überlassen werden sollen.

Kritisch sieht der Autor auch die Datenmonopole großer IT-Konzerne, die es NewcomerInnen schwer machen, sich am Markt zu etablieren. Problematisch ist auch die Manipulation der UserInnen: „In wessen Interesse agiert der virtuelle Assistent?“ (S. 89). Steht das Interesse des datensammelnden, verkaufenden Unternehmens im Vordergrund oder jenes der Kunden? Hier schlägt Ramge Gütesiegel und ein striktes Vorgehen gegen betrügerische Software vor. Die größte Gefahr ist jedoch der staatliche Missbrauch von KI für „Massenmanipulation, Überwachung und Unterdrückung. (...) Die heute verfügbaren technischen Möglichkeiten für den perfekten Überwachungsstaat lesen sich (...) wie ein Medley aus allen politischen Dystopie-Romanen seit George Orwells 1984“ (S. 90). Hier heißt es wachsam sein, ohne KI und die Chancen, die sie bietet, zu verdammen.