LogOut

Ausgabe: 2001 | 2

Die Gegenwart, so ist heute immer wieder zu hören, ist das Zeitalter der Information. Mächtig ist, wer über viele und schnelle Informationen verfügt, wohingegen alle, die nicht an sie gelangen können, das Spiel von vornherein verloren haben. Aber seit es den Computer und das Internet gibt, hat jedes Individuum unbeschränkten Zugang zum gesamten Universum der Information. Die große Zeit des lebenslangen Lernens ist damit angebrochen. Und deshalb darf nicht eher innegehalten werden, als bis das letzte Klassenzimmer und der letzte Kindergarten restlos verkabelt sind.

Für Clifford Stoll ist alles, was hier behauptet, unterstellt und verheißen wird, bloßer Humbug und Schwindel. Die Informationen, die das Internet liefert, hält er zum Großteil für Datenschrott. Er bestreitet, dass Macht irgendetwas mit Informationen zu tun hat. Und Kindergärten und Klassenzimmer sind für ihn Orte, wo Computer absolut nicht hingehören. „Ein Internet-Anschluss“, sagt Stoll, ist die beste Garantie, zum Trottel zu werden.“ Eigentlich - sagt Stoll - müsste einem schon der gesunde Menschenverstand sagen, dass das Internet einen Pferdefuß hat. Warum liefert es ein Produkt - Informationen - im Überfluss und in Rekordzeit, ohne dafür Geld zu verlangen? Stolls Antwort: Weil diese Produkte samt und sonders ökonomisch wertlos und schlicht unverkäuflich sind. Entweder hat man es mit Ramsch, Werbebotschaften oder nutzlosen Rohdaten zu tun. Oder es handelt sich um Informationen, die zwar brauchbar, doch ohnehin schon öffentlich zugänglich sind. Daten - sagt Stoll - sind noch längst keine Informationen, und Informationen sind noch längst kein Wissen. Erst organisiertes Wissen in Gestalt von Erzählungen, Theorien und Weltbildern ist geeignet, das Denken und Handeln zu steuern. Aber ob Daten, Informationen oder Wissen - dass aus dem Zugang zu ihnen gesellschaftliche Macht erwachsen soll, hält Stoll für eine absurde Vorstellung. Wenn es so wäre, müssten ausgerechnet die Bibliothekare ungeheuer mächtig sein. Doch wer ist tatsächlich mächtig? Die Politiker natürlich, antwortet Stoll - und die seien nicht gerade bekannt dafür, gut informiert zu sein. Was hat es für einen Sinn, mit dem Computerunterricht so früh wie irgend möglich zu beginnen? Überhaupt keinen, behauptet Stoll. Denn der Computer hindert die Kinder daran, ihre sozialen Fähigkeiten zu entwickeln. Er lässt sie Erfahrungen mit der virtuellen Welt machen, bevor sie die reale Welt richtig kennen gelernt haben. Er fördert die geistige Trägheit und Unselbständigkeit und verwandelt die Lehrer in bloße Anhängsel des Multimedia-Bildschirms. Und er hat keinen Platz für lange und anspruchsvolle Texte. Doch konzentriertes Lesen ist in Stolls Augen nach wie vor der einzige Weg, der zum Verstehen der Grundlagen von Mathematik, Physik oder Geschichte führt.

Es ist leicht, Clifford Stoll anzugreifen. Denn er hat die Neigung, auf die tatsächlich maßlosen Übertreibungen digitaler Heilspropheten mit maßlosen Übertreibungen zu antworten. Aber in den besten - und witzigsten - Kapiteln dieses Buchs trifft er den Nagel auf den Kopf. Seine Behauptung, dass Wissen nichts mit Macht zu tun habe, sollte er sich allerdings noch einmal überlegen. F. U.

Stoll, Clifford: LogOut. Warum Computer nichts im Klassenzimmer zu suchen haben und andere High-Tech-Ketzereien. Frankfurt/M.: S. Fischer, 2001. 252 S. DM 29,90 / sFr 27,50 / öS 218,-