Leben in der ”Placeless Society"

Ausgabe: 1997 | 1

In den nächsten 20 bis 30 Jahren werden revolutionäre Veränderungen in allen Bereichen des Lebens stattfinden. Im kommenden "Zeitalter der AIIgegenwärtigkeit" verlieren Begriffe wie nah und fern ihre Bedeutung. Die ortsgebundenen Institutionen wie Schule, Unternehmen, Staat oder Familie werden sich drastisch wandeln. Dies glaubt zumindest William Knoke, Vorsitzender eines Investment-Banking-Unternehmens in Kalifornien, und sieht heute bereits die ersten Anzeichen dafür. Er beschreibt den derzeit stattfindenden Übergang in die "Vierte Dimension", ins sogenannte ”ortlose Zeitalter" überaus spannend und interessant. Jedes Kapitel beginnt mit fiktiven Episoden, die die vom Autor dargelegten Trends veranschaulichen. In der „placeless society" des 21. Jahrhunderts wird nichts mehr so sein wie es war. Nicht nur Kapital wird mühelos über nationale Grenzen fließen - es wird tatsächlich nur noch eine Währungen geben -, auch Arbeit wird in Richtung "Ortsungebundenheit" tendieren. Die heutigen beruflichen Fähigkeiten, so Knoke, sind für die Zukunft großteils irrelevant. Um die Mitarbeit am nächsten Projekt stehen wir mit Arbeitskräften aus der ganzen Welt in Konkurrenz. Die heute noch am "Ding orientierten Fertigungsunternehmen" werden von "Service-Prods" - der kombinierten Dienstleistung, bestehend aus Information, Produktion, Bedienungsanleitung, Service und Verfügbarkeit eines oder mehrerer Angebote ausmanövriert. Als Beispiel führt Knoke die amerikanische Einzelhandelskette „home Depot" an, die in Kaufhäusern von der Größe eines Stadions 35000 verschiedene Produkte anbietet und sich durch bestmögliches Service und unschlagbare Preise auszeichnet. ' Der Autor prophezeit des Weiteren das Ende der Nationalstaaten und den Übergang zu einer Weltregierung ”Europa wird nicht zerfallen, aber paradoxerweise bringt die ,Globalität' ein menschliches Bedürfnis nach ,Lokalität' und eigener Identität mit sich." Auch die althergebrachte Struktur der Kernfamilie wird sich großteils auflösen. Bereits heute verbringen amerikanische Durchschnittseltern nur noch halb so viel Zeit mit ihren Kindern als noch vor 20 Jahren, wobei der Autor das Fernsehen dafür verantwortlich macht. Insgesamt zeichnet Knoke ein beunruhigendes Bild der Zukunft, und gerade deshalb sollten wir uns auch ein bißchen fürchten: "Es ist die Furcht, die uns nicht schlafen läßt, die uns veranlaßt. zu denken, zu planen, uns vorzubereiten." A. A.

Knoke, William: Kühne neue Welt. Leben in der ”placeless society" des 21. Jahrhunderts. Wien: Signum-Verl., 1996. 444 S., DM 54,-/sFr 49,-/ÖS 394