Ozeanwandel

Ausgabe: 2015 | 2

Mojib Latif zählt wohl zu den weltweit renommiertesten Klimaforschern. Als Mitarbeiter des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat er nun eine brisante Publikation über den Zustand der Meere verfasst. Einem Einblick in die aktuelle Ozeanforschung („Der unbekannte Lebensraum“) sowie Versuchen der empirischen Erfassung des Lebens in den Meeren („Ozeanische Volkszählung“) lässt der Autor Kapitel über die Verschmutzung der Meere durch die Ölindustrie („Lizenz zur Katastrophe“), den Plastikmüll („Die große Deponie“) sowie durch Radioaktivität etwa nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima („Strahlende Strömungen“) folgen. Eigene Abschnitte sind den Zusammenhängen der Meere und dem Klima bzw. dem Klimawandel gewidmet. Neben bereits diskutierten Phänomenen wie dem Abschmelzen von Arktiseis („Der große Rückzug“), dem drohenden Anstieg des Meeresspiegels sowie der Möglichkeit eines Kippens des Golfstroms („Die große Klimaanlage“) warnt Latif insbesondere auch vor der Gefahr der Ozeanversauerung. Etwa ein Viertel des vom Menschen zusätzlich freigesetzten CO2 wird derzeit von den Meeren gebunden. Doch diese Kapazitäten seien begrenzt und die vermehrte CO2-Aufnahme führe zur Versauerung, was – analog dem Essig, der Kalkablagerungen in Töpfen oder Küchenarmaturen löst – zur Schädigung von Korallen, Krebsen und anderen Lebewesen mit Kalkskeletten bzw. -schalen führt, so der Experte.

Latif trägt die weltweit gewonnenen Ergebnisse der Ozeanforschung zusammen und betont dennoch immer wieder, dass es nicht möglich sei, das komplexe Ökosystem der Meere zur Gänze zu verstehen – und damit auch nicht deren Reaktionen auf menschliche Eingriffe. Die Publikation endet somit mit Theorien vom „Verschwinden der Meere“, die Latif freilich selbst für unwahrscheinlich hält, die jedoch auf Unsicherheitsfaktoren, blinde Flecken – in der Zukunftsforschung würden wir sagen – „wild cards“ der Ozeanforschung verweisen.

Der Autor will sein Buch als Warnruf verstanden wissen und spricht analog dem Klimawandel von einem „Ozeanwandel“ (S. 22): „Es besteht die Gefahr“, so schreibt Latif, „dass die Meeresökosysteme in vielen Regionen noch in diesem Jahrhundert kippen werden, mit unabsehbaren Folgen für das Leben auf der Erde.“ (S. 25). Seine Forderung: „Die Ozeane müssen endlich eine Stimme bekommen.“ (ebd.) Das vorliegende Buch ist ein wichtiger Beitrag dazu – ob es gehört wird, ist noch dahin gestellt. Doch sollte die Ozeanwende nicht gelingen, kann niemand behaupten, wir hätten nichts über die komplexen Wechselwirkungen des Ökosystems der Meere gewusst. Dass Latif Zusammenhänge gut verständlich erklärt und – für einen Wissenschaftler vielleicht ungewöhnlich – auch vor drastischen Formulierungen nicht zurückscheut, tut dem Buch nur gut. Hans Holzinger

Laitif, Mojib: Das Ende der Ozeane. Warum wir ohne die Meere nicht überleben werden. Freiburg: Herder, 2014. 317 S.  € 22,90 [D], 23,60 [A], sFr 23,90 ISBN 978-3-451-31237-3

„Wenn es um Projekte in internationalen Gewässern geht oder um Aktivitäten auf globaler Skala, dann versagt das internationale Regelwerk. Alles scheint erlaubt zu sein.“ (Mojib Latif, S. 79)