Konsumkapitalismus

Ausgabe: 2015 | 1
Konsumkapitalismus

OttomeWertegeschwätz-257x230Um Konsum-Botschaften geht es auch dem Sozialpsychologen Klaus Ottomeyer, wenn auch in anderer Form. „Die Gestaltung der Gebrauchswertversprechen mit Hilfe schöner Verpackungen, Werbespots usw. macht bei vielen Waren über ein Drittel der Herstellungskosten aus“, rechnet er in seiner Abhandlung über „Wertegeschwätz und Wertekonflikte im Kapitalismus“ vor (S. 14). Unter Bezugnahme auf Marx, Weber, Habermas, Fromm, Arno Gruen oder Richard Sennett analysiert Ottomeyer in seiner Abschiedsvorlesung an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt die Entfremdung des homo oeconomicis, homo laborans und homo consumens im modernen Kapitalismus.

Er diagnostiziert ein „Wertechaos“, das den Boden für neue Fundamentalismen bereite: „Als Werte und Erziehungsziele für unsere Kinder und Enkel stehen Empathie und Egoismus, Ehrlichkeit und trickreiches Überlisten, Kooperation und Karriereorientierung, Asketismus und Konsumismus, Sparsamkeit und die Geilheit des Haben-Wollens, Erwachsenen-Selbstkontrolle und Infantilismus, Gewinnstreben und Gemeinwohl, Impression-Management und Authentizität, Bindung und die Freiheit von Bindung, partnerschaftliche Treue und Dauersexualisierung mehr oder weniger gleichberechtigt und unverbunden nebeneinander.“ (S. 31)

Der Neofundamentalismus, der sich in vielen Gesellschaften der Welt ausbreite, verspreche dagegen eine „einfache Werteordnung“ (S. 32). Dagegen könne, so Ottomeyer, nur durch Reflexion und Offenheit angegangen werden. Er spricht von einem „übergreifenden Werte-Dach“ über den drei „Werte- und Lebenswelten des Arbeitens, Liebens und Kämpfens“, das von „wechselseitiger Anerkennung der jeweiligen Interaktionspartner“ (S. 45) ausgehe. Arbeit sei in diesem Sinne zu ergänzen durch Spaß und Spiel, Liebe durch Freiheit und Kampfesmut (man könnte auch politisches bzw. gesellschaftliches Engagement dafür einsetzen) durch Fairness und Versöhnung.

Die Missachtung der Personen- und Freiheitsrechte anderer erfordere direktes Eingreifen und Zivilcourage „ohne Umwege über staatliche Instanzen“: „Wenn man es nicht tut, trägt man selbst zu Entwürdigung, Vergewaltigung oder Entrechtung der Betroffenen bei.“ (S. 47). Doch diesem „Kampfesmut“ steht für Ottomeyer die Verantwortungsdiffusion in der modernen Konsumgesellschaft entgegen, was wiederum den Kreis schließt zum „Wertegeschwätz“ bzw. dem „Chaos mit System“.

Hans Holzinger

 

Ottomeyer, Klaus: Chaos mit System. Werte-geschwätz und Wertekonflikte im Kapitalismus.  Klagenfurt: Drava, 2014. 55 S., € 9,90 [D], 10,10 [A], sFr 15,50 ; ISBN 978-3-85435-724-7

Vgl. auch: Ders.: Ökonomische Zwänge und menschliche Beziehungen. Soziales Verhalten im Kapitalismus. Wien u.a.: LIT-Verlag, 2013. 256 S., € 18,90 [D], 19,50 [A], sFr 27,- ; ISBN 978-3-643-50618-4