Kollaboratives Wirtschaften

Ausgabe: 2019 | 1
Kollaboratives Wirtschaften
Mit der Methode des Community Organizing zu einer zukunftsfähigen Ökonomie:
Lehmann-Kollaboratives-Wirtschaften

Das Buch liefert spezielle Vorschläge, um dem Wachstumskapitalismus der ungleichen Verteilung zu entgehen. Manuel Lehmann von der Schweizer Organisation „ThinkPact Zukunft“ beschreibt in „Kollaborativ Wirtschaften“ Ansätze, wie in der Zivilgesellschaft neue Formen des Wirtschaftens wachsen. Stichworte sind Energiegenossenschaften, Lokal- und Regionalwährungen, Transition Town-Initiativen oder Sharing Economy.

Der Autor referiert die bisher verfügbare wissenschaftliche Literatur zum Thema, stellt kollaboratives Wirtschaften in den Kontext von sozialen Bewegungen und Netzwerken und verknüpft diese schließlich – selbst Sozialarbeiter – mit Gemeinwesenarbeit und soziokultureller Animation. Gefördert werden soll durch diese beispielsweise die Kommunikation zwischen verschiedenen Individuen, Gruppen und Kulturen, die Festlegung gemeinsamer Ziele, die Identifikation erleichtern, der Aufbau neuer Beteiligungsformen, die Erhöhung der Kompetenz im Umgang mit (freier) Zeit. (vgl. S. 63). Im Fokus steht dabei die Lebenswirklichkeit der Menschen, der Sozialraum, in dem sie sich bewegen.

Hier setzt auch das von Saul Alinsky entwickelte „Community Organizing“ an, das auf die Macht der Selbstorganisation setzt. „Die einzige Macht der Habenichtse sei, dass sie viele seien“, zitiert Lehmann den Stadtteilforscher. Mit Ulrich Beck spricht Lehmann davon, dass der Kitt einer neuen Gesellschaft im Lokalen liege (vgl. S. 77).

Gemeinschaftliche Ansätze

Im zweiten Teil des Buches referiert Lehmann über sein Forschungsprojekt, in welchem er die AkteurInnen gemeinschaftlicher Wirtschaftsansätze in Zürich untersucht. Befragt wurden hierfür mehrere Foodcoops, das FabLab Zürich, die Plattform Genossenschaften, die neue Wohnformen unterstützt, sowie Tauschen am Fluss, Zürichs größtes Tauschnetz. Der Autor stellte bei dieser Untersuchung ein vielfältiges Motivationsspektrum der Befragten fest, das von allgemeinen Zielen wie Zukunftsfähigkeit, Resilienz oder Konstruktivität bis hin zu persönlichen Motiven wie „Wunsch nach Gemeinschaft“ oder „Einkommen generieren“ reicht.

Bei den erfragten Wirkungen der untersuchten Projekte stehen „Bewusstseinsbildung, Lernort und Sensibilisierung“ sowie „Neue Projekte anstoßen, andere unterstützen“ ganz oben in der Prioritätenreihung, aber auch Aspekte wie „Befähigung, Ermächtigung“ oder „Neuen Bezug zur Arbeit schaffen“ wurden genannt (S. 94). Als größte Schwierigkeiten nennt die Untersuchung die Ressourcen „Zeit“ und „Raum“ – beides sei knapp und teuer in der modernen urbanen Gesellschaft.

Vernetzungsangebote etwa durch Community Organizing werden zwar begrüßt, doch herrsche auch Skepsis gegenüber Vereinnahmung. Begrenzt war auch die Bereitschaft, sich in politische Prozesse einzubringen, wie Lehmann schildert. Ebendies will die Gruppe ThinkPact, eine Mischform aus Thinktank und Netzwerk. Gedacht ist an die Gründung eines Wirtschaftsverbandes oder einer Handelskammer der kollaborativen Wirtschaft. Ein spannender und wichtiger Ansatz. Lehmanns Buch gibt eine gute Einführung in die wissenschaftliche Literatur dazu.

Von Hans Holzinger


Lehmann, Manuel: Kollaboratives Wirtschaften. Mit der Methode des Community Organizing zu einer zukunftsfähigen Ökonomie. München: oekom, 2017. 144 S., € 20,- [D], 20,70 [A]