Klimapolitik und Handlungsstrategien

Ausgabe: 1996 | 4

 

Es kommt nicht von ungefähr, daß zur selben Zeit zwei Abhandlungen mit dem Titel" Klimapolitik" erscheinen. Auch wenn die Folgen nicht bis ins letzte Detail vorhersagbar sind, der Einfluß des Menschen auf die Veränderung des Weltklimas ist mittlerweile - von einigen wenigen Wissenschaftlern abgesehen - außer Streit. Nun gilt es, in globaler Koordination die entsprechenden Taten zu setzen. Einer Einführung in den menschengemachten Treibhauseffekt und seine möglichen Folgen sowie den technischen Potentialen zur Begrenzung der Spurengasemissionen läßt Reinhard Loske, Klimaspezialist des Wuppertal Instituts und langjähriger Politikberater, in seiner umfassenden Abhandlung Berechnungen der ökonomischen Kosten der Klimaerwärmung wie auch der Gegenmaßnahmen folgen, um zuletzt die “Klimapolitik der Staaten" auszuloten. Sieben Schlüsselbegriffe - Grenze, Risiko, Zeit, Raum, Gerechtigkeit, Effizienz und Kompatibilität (mit sozialen und ökonomischen Zielen) dienen ihm dabei als Leitlinie. Daß nicht das Versiegen der fossilen Rohstoffe, sondern die "unsichtbare Assimilationsgrenze der Natur" unser Handeln bestimmen müsse, mache den Erfolg der Klimapolitik ebenso schwierig, ist der 'Koordinator der Studie “Zukunftsfähiges Deutschland" überzeugt. Die Versöhnung von ökologischen Langzeiterfordernissen mit den Kurzzeitorientierungen von Politik, Unternehmen und Bürgern (zeitliche Dimension) sei die größte Herausforderung. Loske plädiert wie andere für die Einrichtung eines Zukunftsrates sowie   die monetäre Bewertung von Zukunftsinteressen. Da die exterritoriale Erdatmosphäre ein globales Gemeinschaftsgut darstellt (räumliche Dimension), müsse die Klimarahmenkonvention zu einem wirksamen Instrument des Völkerrechts weiterentwickelt werden, während die meisten Klimaschutzmaßnahmen im Sinne des Subsidiaritäts- wie Verantwortungsprinzips dezentral zu setzen sind. Hier hofft der Autor auf die positiven Sekundäreffekte (etwa weniger Emissionen, mittelfristige Kosteneinsparungen) sowie auf die "Gewinnerindustrien" des ökologischen Strukturwandels. Insbesondere mit Blick auf die Länder des Südens spielt der Begriff der Gerechtigkeit eine Rolle. Loske referiert unterschiedliche Modelle der Verteilung von Emissionsrechten, fordert aber eine Vorreiterrolle des Nordens. Unter Effizienz subsumiert der Autor nicht nur eine höhere Energieproduktivität, sondern auch eine effiziente Umsteuerungskapazität der (politischen) Institutionen. So müsse Klimaschutz integraler Bestandteil von Wirtschafts-, Finanz- und Verkehrspolitik werden. Das Risiko globalen Klimawandels in Grenzen zu halten, könne, so Loskes Schlußthese, jedoch nur über neue, die Produktions- wie die Konsumsphäre grundlegend wandelnde Leitbilder einer zukunftsfähigen Entwicklung gelingen. Die Autoren des zweiten Bandes, beide NGO-Delegierte beim UN-Gipfel in Berlin, rekonstruieren die Entwicklung der Klimapolitik seit" Rio", wobei sie neben Deutschland und Europa (West und Ost) auch die Rolle der USA, der asiatischen Wachstumsökonomien sowie der Entwicklungsländer analysieren. Insbesondere die vielen politischen Detailkenntnisse etwa über die Bremser an den Klimakonferenzen („Öl- und Kohlelobbies") oder die Verhinderer einer EU-Energiesteuer zeichnen diese Abhandlung aus. H.H.

 

Loske, Reinhard: Klimapolitik. Im Spannungsfeld von Kurzzeitinteressen und Langzeiterfordernissen. Marburg: Metropolis, 1996. 342 S., DM/sFr 39,80/ ÖS 290,50

Müller-Kraenner, Sascha; Knospe, Christiane: Klimapolitik. Handlungsstrategien zum Schutz der Erdatmosphäre. Basel (u.a.): Birkhäuser, 1996. 240 S.