Paul Mason

Klare, lichte Zukunft

Ausgabe: 2020 | 1
Klare, lichte Zukunft

Paul Mason hat 2016 mit „Postkapitalismus“ ein Buch geschrieben, das international Aufmerksamkeit erregte. Der technologische Wandel stelle die bestehende Wirtschaftsordnung in Frage. Nun folgt „Klare, lichte Zukunft“, ein Werk, das sich weniger mit der Beschreibung einer besseren Welt beschäftigt, als mit den notwendigen Änderungen in unserem Denken, um dort hin zu kommen.

Mason sieht ein grundlegendes Problem. Wir Menschen trauen es uns nicht mehr zu, die Zukunft aktiv zu gestalten. Das habe mehrere Gründe, die jedoch zusammenhängen. Er spricht von einem „Anti-Humanismus“, der uns in Schach halte.

Regierungen bestreiten, dass man heute unter dem Einfluss internationaler Marktkräfte noch erfolgreich Politik machen kann. Der Markt wird gottgleich für unfehlbar gehalten. Zumindest weiß der Markt besser, was zu arbeiten ist, als die Menschen. Oder? Für Mason ist „die Ideologie des freien Marktes die Einstiegsdroge zu einem umfassenderen Antihumanismus“. (S. 11)

Parallel zum Aufstieg des Neoliberalismus als dominante Denkform über Arbeit und Wirtschaft fanden im Diskurs über Wissenschaft wichtige Änderungen statt. Aufbauend auf Theorien der Physik, der Linguistik und der Neurowissenschaften wurden Begriffe wie „Realität“ und „Freier Willen“ in Frage gestellt.

Das Experiment des Physiologen Benjamin Libet im Jahr 1983 zeigte, dass die Gehirnaktivität, die Handlungen auslöst, bei Konfrontationen mit einer spontanen Entscheidung einige hundert Millisekunden vor dem Moment stattfindet, in dem das Gehirn eine bewusste Entscheidung über die geeignete Handlung fällt. Das wurde so interpretiert, dass die Willensfreiheit, auf jene 150 Millisekunden beschränkt sei, in denen wir die durch diese Gehirnaktivität ausgelöste Reaktion ändern können. Damit wären unsere Handlungen letzten Endes das Ergebnis unserer biologischen Anlagen plus der Umwelteinflüsse. Was Mason nun aufzeigt ist, dass diese Interpretation überschätzt sei. Er führt WissenschaftlerInnen ins Feld, die das Experiment Libets durchaus mit der Existenz des freien Willens vereinbar sehen.

Die Philosophen der Postmoderne, beginnend mit Michael Foucault, hätten den Antihumanismus zu einer wichtigen Ideologie an den Universitäten entwickelt. „Der Postmodernismus hat den Relativismus zu einer säkularen Religion gemacht, deren erstes Gebot lautet: nichts ist wahr. Widerstand, sogar geistiger Widerstand, ist unmöglich. Der Postmodernismus ermutigt unterdrückte Gruppen, einander als Feinde zu betrachten. Er leugnet die Existenz universeller menschlicher Attribute und damit implizit die Existenz universeller Menschenrechte. Wenn wir die neoliberale Ideologie besiegen wollen, müssen wir für eine umfassende Vorstellung vom menschlichen Wesen kämpfen. Doch der Postmodernismus lehrt uns, dass es eine solche nicht gibt.“ (S. 226f.)

Mason sagt, dass der Mensch einzigartig sei, weil er nicht nur Dinge erzeuge, sondern auch, weil wir in der Lage seien, uns selber zu verändern. Die menschliche Natur entwickle sich so im Lauf der Geschichte. Die Freiheit des Menschen will er nicht als angeboren sehen. Sie werde gesellschaftlich und historisch geschaffen (vgl. S. 189).

„Ich will die Idee verteidigen, dass wir alle, die Transgenderaktivistin in London, die Fabriksarbeiterin in Guangdong, der junge Kanake, der für die Unabhängigkeit Neukaledoniens kämpft – eine universelle Eigenschaft besitzen, die uns einen Anspruch auf unveräußerliche Menschenrechte gibt.“ (S. 243) Das humanistische Selbstbewusstsein ist für Mason bedeutend für einen erfolgreichen Umgang mit den neuen Technologien. Ein Humanismus sei nicht nur für uns Menschen besser. Gerade wenn wir Künstliche Intelligenzen programmieren, müssen wir ethische Aussagen berücksichtigen, die eine Konsensvorstellung von der menschlichen Natur beinhalten. „Das Problem ist nur, dass die Philosophen, deren Bücher wir am Flughafenkiosk finden, diese Idee für tot erklärt haben und dass sie den geistigen Erben Nietzsches im Silicon Valley gleichgültig ist.“ (S. 216)

Die Publikation widmet sich in der Folge der konkreten politischen Umsetzung dieser Ideen. Mason fordert die LeserInnen schließlich auf ein anti-faschistisches Leben zu führen: Ein Leben, bei welchem man sich bewusst in die politische Arena stellt, bei welchem man sich nicht damit begnügt, abseits der Hauptplätze ein „nichtfaschistisches Leben“ zu führen.