Nick Srnicek, Alex Williams

Inventing the Future

Ausgabe: 2020 | 1
Inventing the Future

In diesem wichtigen Buch der positiven, egalitären Technikvisionen meinen Nick Srnicek und Alex Williams: „The technological infrastructure of the twenty-first century is producing the resources by which a very different political and economic system could be achieved.“ (S. 1) Die neuen Kommunikationstechnologien bringen Möglichkeiten für eine bessere Umsetzung von Ideen der partizipativen Demokratie. Open-Source Designs, Copyright-freie Kreativität und 3D-Drucker haben das Potenzial, unsere Art miteinander zu arbeiten, gravierend zu verändern. Neue Verfahren der Computersimulation lassen andere Arten der Planung denkbar werden. Die Robotik könnte eine Unmenge an langweiliger und anstrengender Arbeit, auch im Dienstleistungssektor, unnötig machen. Neue Wege in der Medizin könnten uns ein längeres, besseres Leben ermöglichen.

Wie selten werden die neuen Technologien aufgezählt und dabei ein Bild von einer besseren Zukunft entworfen? Warum endet unser Denken über die veränderte Technik so oft in dystopischen Bildern von Arbeitslosigkeit und Kontrolle? Weil wir die Entfaltung der Technologien in einer Welt der Ungleichheit sehen. Genau damit wollen Srnicek/Williams brechen. „The utopian potentials inherent in twenty-first-century technology cannot remain bound to a parochial capitalist imagination.“ (S. 3)

Um solche positiven Bilder der Zukunft der Realisierung näherzubringen, müsse eine Denkweise überwunden werden, die die Autoren „folk politics“ nennen. „Folk politics“ stehe dem Kapitalismus kritisch gegenüber, führe aber in die falsche Richtung. Unter „folk politics“ verstehen sie die Reaktion auf Abstraktheit, Anonymität, überwältigende Komplexität und Unmenschlichkeit des Kapitalismus, die sich in der Forderung widerspiegeln, dass die Politik auf ein „menschliches Maß“ zurückgestutzt werden sollte. Das Lokale werde als authentischer beschrieben, das Alltägliche wird dem Strukturellen vorgezogen.

Srnicek/Williams wertschätzen die hinter der „folk politics“ liegenden Ideen, diese seien eine notwendige Kritik, aber sie seien unzureichend für ein nach-kapitalistisches politisches Projekt. Zu oft werde Politik auf einen ethischen und individuellen Kampf gegen bestehende Zwänge reduziert. Während man in der Lage war, mit „folk politics“ neue und starke Ideen zugunsten menschlicher Freiheit zu entwickeln, war man nicht in der Lage die bestehende gesellschaftliche Ordnung grundsätzlich in Frage zu stellen (vgl. S. 19). Diesem Befund stellen die Autoren eine andere Erzählung entgegen, sie soll eine anregende und umfangreiche Vision einer besseren Zukunft sein. „It would operate with a universal horizon, mobilise a substantial concept of freedom, and make use of the most advanced technologies in order to achieve its emancipatory goals. Rather than a Eurocentric view of the future, it would rely upon a global set of voices articulation and negotiating in practice what a common and plural future might be.“ (S. 83) Sie sprechen von einer voll automatisierten “post-work society” (S. 108). Mit einer Automatisierung, die so weit wie möglich geht, werde man für die verbleibende Arbeit wesentlich weniger Zeit aufwenden müssen. Die Idee, dass man lebe, um zu arbeiten, soll überwunden werden. In einer weitestgehend automatisierten Welt, werde ein Allgemeines Grundeinkommen diesen Zwang aufheben (S. 127).

Was wird dies mit den Menschen machen? Die Autoren grenzen sich auch hier von „folk politics“ ab: „The post-capitalist subject would therefore not reveal an authentic self that had been obscured by capitalist social relations, but would instead unveil the space to create new modes of being.“ (S. 180)

Natürlich werde nicht jede Arbeit abschaffbar sein. Kreative Arbeit, höchst flexible Aufgaben, empathische Aufgaben und Dinge, für die implizites Wissen nötig ist, werden Menschen nicht automatisieren. Weiters sind bestimmte Automatisierungen einfach zu kostspielig und können von Menschen besser und einfacher erledigt werden. Und drittens wird es nötig sein, bestimmte Aufgaben aus moralischen Gründen nicht zu automatisieren, wie zum Beispiel die Kindererziehung.

Nein, Innovation werde durch ein Allgemeines Grundeinkommen in einer vollautomatisierten Gesellschaft nicht unterlaufen. Die beiden Autoren verweisen darauf, dass in der goldenen Zeit der Forschung und Entwicklung nach 1945 zwei Drittel der Innovationen öffentlich gefördert waren und neoliberale Kürzungen staatlicher Programme die Innovation deswegen gefährden. Sogar die großen innovativen Projekte der Privatwirtschaft, wie von Steve Jobs und Elon Musk, sind gerade nicht von einer marktwirtschaftlichen Logik geprägt, sondern von etwas anderem, wie zum Beispiel Neugierde. Marktwirtschaftlich würden ihre Ideen eben nicht probiert werden. Auch erweise sich die bestehende Ordnung gerade als Hindernis für technologische Entwicklung durch ihre Copyright-Bestimmungen. Besonders in der pharmazeutischen Privatwirtschaft sei dies verheerend.