Thomas Straubhaar

Der Untergang ist abgesagt

Ausgabe: 2016 | 4
Der Untergang ist abgesagt

Thomas Straubhaar schreibt an gegen das  „Gespenst des demografischen Wandels“ (S. 174). Sein Buch „Der Untergang ist abgesagt“ hinterfragt Annahmen zu den Gefahren des demografischen Wandels, wobei sich der Autor ausschließlich mit Deutschland beschäftigt. Das zentrale Argument des Ökonomen lautet, dass die Politik keinen vergeblichen Kampf gegen Bevölkerungsrückgang, Alterung, Heterogenisierung und Urbanisierung führen, sondern vielmehr Rahmenbedingungen für ein glückliches Leben in einer solchen Gesellschaft schaffen solle. Dabei widerlegt er zehn „Mythen“.

So seine demografische Trends durch unerwartete politische Ereignisse oder nicht vorhersehbare Verhaltensänderungen durchaus umkehrbar und langfristige Prognosen daher unseriös (Mythos 1). Auch dass Schrumpfen der Bevölkerung den Wohlstand gefährde (Mythos 2), wird hinterfragt: Die zu erwartende Automatisierung werde den Arbeitsmarkt schrumpfen lassen, aber die Produktivität erhöhen. Mythos 3 warnt vor der Alterung der Bevölkerung als Wohlstandsrisiko, während Straubhaar ein langes und gesundes Leben als Glück begreift. Es sei aber wichtig, das existierende Umlagesystem durch eine verlängerte Lebensarbeitszeit an die neuen Verhältnisse anzupassen. Der vierte Mythos sieht Zuwanderung als Lösung für demografische Probleme, während Straubhaar darauf verweist, dass positive Effekte von Zuwanderung nur langfristig und auf gesamtgesellschaftlicher Ebene beobachtbar seien. Zudem sei es ein Irrglaube, dass Zuwanderung sich steuern lasse (Mythos 5). Fluchtbewegungen und Familienzusammenführungen werden niemals völlig kontrollierbar sein; allein die Arbeitsmigration lasse sich politisch steuern.

Der Autor bezweifelt auch, dass sich Deutschland durch missglückte Integration „abschaffe“, wie es in Mythos 6 beschrieben wird. Straubhaar stellt die Frage, was überhaupt deutsch sei und verweist auf eine zunehmende Vielfalt von Lebensentwürfen auch unter Deutschen (vgl. S. 104). Einen Fachkräftemangel (Mythos 7) kann der Autor nicht erkennen, angesichts des ungenutzten Potenzials von Älteren, Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund (vgl. S. 127). Ähnlich Mythos 8, der Deutschland als unattraktiv für Talente sieht: Tatsächlich habe es in den letzten zehn Jahren einen Nettosaldo bei Migrationsbewegungen gegeben, vor allem im qualifizierten Bereich. Gleichzeitig warnt das Buch vor übertriebenem Optimismus gegenüber Vielfalt in Wirtschaft und Gesellschaft (Mythos 9): Während Diversität die Wirtschaft stimulieren mag, müsse es Normen geben, auf die sich die Gesellschaft verständigen kann, um Zusammenhalt und politische Steuerungsfähigkeit aufrecht zu erhalten (vgl. S. 145). Schlussendlich weist Straubhaar den zehnten Mythos zurück, wonach gleiche Lebensverhältnisse für Peripherien bei fortschreitender Urbanisierung aufrechterhalten werden können. Während Möglichkeiten zur Mobilität ausgebaut werden sollten, wird eine Konzentration von öffentlichen Versorgungseinrichtungen unvermeidbar sein, so seine Überzeugung.

Die Grundlage der vorgebrachten Argumente ist der offensichtlichen Glauben Straubhaars an die Arbeitsgesellschaft, die unter den richtigen Bedingungen alle Bedrohungsszenarien abfedert. Der Beitrag reiht sich in eine Reihe von aktuellen Aufrufen ein, sich nicht der Angst hinzugeben, sondern Herausforderungen strukturiert entgegenzutreten.