Internationale Politik und Geschlecht

Ausgabe: 1998 | 4

Aus Sicht feministischer Kritik erscheint internationale Politik als das Geschäft autonomer "männlicher Staaten“, das in einer gewaltgeladenen Arena von herausragenden Staatsmännern betrieben wird, um das ebenfalls männlich konnotierte nationale Interesse zu verteidigen:' (S. 33f.) Die männlich dominierte internationale Politik ist also Stein des Anstoßes und Grund genug, den Theorien und praktischen Spielregeln auf den (männlichen) Zahn zu fühlen.

Feministische Politikwissenschafterinnen bedienen sich der bekannten Verfahrensweise der Theoriebildung: Einführung der Kategorie "Geschlecht" als zentrales Analysekriterium, Kritik am bestehenden mainstream, Konturierung des feministischen Ansatzes durch die Abgrenzung von bestimmten Theoriebildungen u. a. m. Der Verortung des Theorieansatzes folgt die detaillierte Untersuchung der diversen Subdisziplinen, wobei feministische Ansätze zu anderen Fragestellungen und damit zu anderen Realitätsbildern führen.

Auch der vorliegende Band stellt die Theoriediskussion voran, um in der Folge diverse Politikfelder unter die feministische Lupe zu nehmen. Die Auseinandersetzung konzentriert sich auf Theorie und Praxis internationaler Beziehungen. Auch die Politikfelder, die mit feministischem Analyseinstrumentarium beherzt angegangen werden, stehen in der Nähe von bekannten ”Frauenthemen": Friedensforschung, Umweltpolitik, Menschenrechte, Bevölkerungs- und Entwicklungspolitik. Claudia von Braunmühl umreißt in ihrem Beitrag das älteste und bis heute zentrale Feld internationaler Frauenpolitik. Sie listet die historischen Etappen von der staatlichen Frauenförderungspolitik "bringing women in" über die Frauendekade der Vereinten Nationen bis hin zur Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking auf, um konsequent bei der Globalisierungdebatte zu enden. Ein herausragender Aufsatz von Christa Wichterich beschäftigt sich mit Wirtschaftspolitik. Schwung- und stilvoll präsentiert sie einen Überblick über die Entwicklung der Diskurse und Theoreme in der wirtschaftspolitischen Diskussion feministischer Prägung.

Angelpunkt aller Beiträge ist die Frauenbewegung als Mitgestalterin der internationalen Politik, die lokal praktiziert wird und zugleich global orientiert ist, Insbesondere sind es die Netzwerke im Süden, die zu den analytisch wie strategisch treibenden Kräften der Bewegung zählen. Trotz unbestreitbarer Erfolge in Organisationsstruktur und Vernetzung ist die Durchsetzung feministischer Ansätze noch marginal. Es besteht ein krasses Mißverhältnis zwischen Handlungspotentialen und Einflußchancen. Frauen besetzen nicht die relevanten Orte internationaler Politik. "Denn trotz Professionalisierung, gewisser institutioneller Erfolge und der Etablierung etlicher prominenter Bewegungsaktivistinnen als hochdotierte Expertinnen in UN-Organisationen wird internationale Frauenpolitik wohl auch in nächster Zukunft vor allem die inhaltlich anspruchsstarke und formal eher einflußschwache Politik internationaler Frauenbewegung bleiben"" (S. 16)


A. E.

Lokal bewegen - global verhandeln: internationale Politik und Geschlecht. Hrsg. v. Uta Ruppert. Frankfurt/Mo (u. a.): Campus-Verl., 199B- 257 S. (Politik der Geschlechterverhältnisse; 11) DM 48,- / sFr 46,- / ÖS 350,-)