Intelligente Verschwendung?

Ausgabe: 2014 | 2

Die Erfinder des Cradle to Cradle-Konzepts Michael Braungart und William McDonough, versprechen uns bereits im Titel „Intelligente Verschwendung“ sowie in Absetzung von der vielfach kritisierten Konsumgesellschaft den „Weg in eine neue Überflussgesellschaft“. Cradle to Cradle geht von einem Produktdesign aus, das eine vollständige Wiederverwertung aller Rohstoffe verspricht, also eine tatsächliche Kreislaufwirtschaft. Gesprochen wird nicht von Recycling, sondern von „Upcycling“. Die Idee ist bestechend, doch leider weit weg von der gegenwärtigen Realität des Produzierens. Neben den noch immer zu billigen Rohstoffen, die Wiederverwertung nur begrenzt ökonomisch als rentabel erscheinen lassen, liegt der Haken vor allem in der ungemeinen Vielzahl von Misch-Werkstoffen und Verbindungen, die eine erneute Wiederverwertung bei Erhalt der Qualität der Rohstoffe unmöglich machen. Die Autoren belegen dies selbst am Beispiel ein Kunststoffgriffes eines Möbelstücks, der an die 40 Substanzen enthält.

Cradle to Cradle würde erfordern, die Produkte gänzlich anders, also weitgehend auf Kohlenstoffbasis, zu erstellen. Doch davon sind wir weit entfernt. Industrielles Produzieren basiert nach wie vor zum überwiegenden Teil auf Erdölbasis. Realistischer erscheinen die Ausführungen der Autoren im Bereich einer veränderten Landwirtschaft – gefordert werden etwa begrünte Häuser mit Glashäusern auf den Dächern (Ideen die dem Urban Farming entspringen), ein völlig anderer Umgang mit unseren Böden, dem größten Energiespeicher des Planeten (in der Realität schreitet freilich deren Degradation rasant voran) sowie des bereits im Gang befindlichen Ausbaus erneuerbarer Energiequellen (auch wenn selbst hier die Trends noch immer dem fossilen Zeitalter verhaftet sind!). Worin liegt aber nun das Problem des Buches? Braungart und McDonough sagen nichts Falsches, aber sie verkennen die Realität und versprechen damit Unmögliches.

Mit ihren Seitenhieben auf den „Ökologismus“ (siehe Zitat unten), der Einschränkung und Verbote predige und kein positives Zukunftsbild vermittle, sind die beiden Autoren Wasser auf den Mühlen all jener, sie sich gegen höhere Umweltstandards und eine Verteuerung der Ressourcen wehren (beides geht nur auf politischem Weg). Und in dem sie uns versprechen, dass wir unseren materiellen Konsum keineswegs einschränken müssen (es gehe ja um intelligente Verschwendung), finden sie breiten Anklang in Wirtschaftskreisen, die nichts mehr fürchten als die Schmälerung ihrer Gewinne. Das Wirtschaften in der postfossilen Ära wird auf nachwachsenden Rohstoffen, also auf Photosynthese und auf der Energie der Sonne basieren – doch ein Wohlstand für 10 Milliarden Menschen, wie wir ihm heute frönen, wird damit nicht zu schaffen sein. Cradle to Cradle ist vom Ansatz her richtig, doch kapitalistisches Wirtschaften folgt den Gesetzen des Profits – das Konzept dient daher, so ist zu befürchten, vor allem als Feigenblatt und Aufrechterhaltung der Illusion, dass wir unser Wachstumsmodell einfach fortschreiben können.

Hans Holzinger

Braungart, Michael, McDonough, William: Intelligente Verschwendung. The Upcycle. Auf dem Weg in eine neue Überflussgesellschaft. München: ökom 2013. 208 S. € 17,95 [D] 18,50 [A], sFr 21,90 ISBN 978-3-86581-316-9

„Unter der Diktatur des Ökologismus erleben wir immer mehr Verhaltensmaßregeln und Normierungen, immer mehr Vorschriften, die wirtschaftliches Wachstum und Impulse, aber auch die Wahlmöglichkeiten der Konsumenten einschränken.“ (Braungart/McDonough, S. 42)