Heimatland Erde. Versuche einer planetarischen Politik

Ausgabe: 1999 | 4

Für einen ehemaligen Kommunisten und nach wie vor linken, französischen Intellektuellen scheint es ungewöhnlich, ein grundlegendes Werk zur Situation unserer Erde unter den Begriff “Heimatland" zu stellen. Heimatlose, fanatische Linke könnten daraus einen bedenklichen Rechtsruck herauslesen. Dabei macht es sich Morin - im Dialog mit der Publizistin Kern - nicht leicht, um seine Abkehr vom proletarischen hin zum planetarischen Internationalismus zu erklären. Seinen Aufruf, die abendländische Philosophie grundlegend zu überdenken, begründet er wie folgt: “Wenn wir eine Zivilisationskrise haben, dann liegt das daran, daß die grundlegenden Probleme im allgemeinen als individuelle Probleme betrachtet und von der Politik ausgespart werden, weil man ihre wechselseitige Abhängigkeit von den kollektiven Problemen der Allgemeinheit nicht erkennt. Die Politik der Zivilisation zielt darauf ab, den Menschen wieder in das Zentrum der Politik zu rücken, wieder mehr die Lebensqualität anstelle des Wohlstandes zu fördern. Eine Politik der Zivilisation müßte auf zwei essentiellen Achsen beruhen: der Humanisierung der Städte und dem Kampf gegen die Entvölkerung der Landgebiete...”

Morins Stärke liegt in der Analyse des Zustandes unseres Planeten wenn er diagnostiziert: “Eine Zunahme der Unsicherheit in allen Bereichen, die Unmöglichkeit einer gesicherten Futurologie, eine extreme Vielfalt möglicher Zukunftsszenarien”, weiters den “Abbau von Regulierungen” sowie tödliche Gefahren für die Gesamtheit der Menschheit (Kernwaffen, Bedrohung der Biosphäre) und gleichzeitige Chancen, die Menschheit durch das Bewußtsein um die Gefahr vor der Gefahr zu bewahren” (S. 109). Im Vorwort antwortet er auf seine Kritiker, die ihm entweder Pessimismus (z.B. im Kapitel “Evangelium des Untergangs”) oder naiven Optimismus angesichts der Hoffnung vorwerfen, daß die Erde doch noch zivilisierbar - etwa durch eine “Ökologie der Politik” - wäre. Morin sieht gerade im Dialog zwischen diesen Extremen die Chance, “Hoffnung in die Verzweiflung zu bringen".

Offenbar aus Angst, schwer realisierbare Patentrezepte anzubieten, hält er sich bei den Konkretisierungen indes merklich zurück.


M. Rei.

Morin, Edgar; Kern, Anne B.: Heimatland Erde. Versuche einer planetarischen Politik. Hrsg. v. Wilfried Graf ... Wien: Promedia, 1999, 206 S., DM 34,- / sFr 31,50 / öS 248,-