Haben Spendentätigkeit und Gebefreudigkeit eine Kehrseite?

Ausgabe: 1999 | 2

Österreich gilt - was sich auch jetzt wieder traurig aktuell bestätigt - als eine der spendenfreudigsten Nationen innerhalb der EU. Ist diese Spendentätigkeit als reiner Akt eines verbliebenen Resthumanismus zu sehen, oder gibt es eine zu bedenkende Kehrseite dieser Gebefreudigkeit? Hammerschmieds zweites Buch stellt ins Zentrum der Überlegungen die Spendermentalität der westlichen Welt mit Blick auf die sog. „Dritte-Welt“:. „Die ‘Milde Gabe’ erscheint so als Teil einer für allmächtig gehaltenen Ökonomie [...], wo sich das Almosen als Linderung im Grunde für unveränderbar gehaltene Verhältnisse versteht, wo man gibt und sich nichts vergibt. Wo die Schuld sich schadlos hält an einem/für einen Mangel, den sie selbst produziert.“ (S. 13) Spenden sind also keine Lösung, um ungerechte Verhältnisse gerechter zu machen, nicht spenden aber auch nicht. Dieser unheilvollen double-bind-Situation legt der Autor nicht noch eine sozialgeschichtliche Studie zugrunde, sondern er nähert sich diesem komplizierten Gegenstand über das Schuldverhältnis (Verschuldung, Entschuldung) und den Themenkomplex Schuld - Schulden. „Damit es Gabe gibt, ist es nötig, daß der Gabenempfänger nicht zurückgibt, nicht begleicht, nicht tilgt, nicht abträgt, keinen Vertrag schließt und niemals in ein Schuldverhältnis tritt.“ (S. 90)

Doch ist sowohl im Christentum als auch in der Psychoanlayse die Frage nach der menschlichen Schuld zentrale Gestalt. Es sind daher auch diese beiden thematischen Hauptstränge - christliche Denktradition und die Theorien Freuds in Zusmmenhang gesehen in der Begegnung mit dem Anderen, dem Fremden, die Hammerschmied aus seinem ersten Buch „Väter. Sonne. Kapital“ (1996) weiterführt. Diesmal treten aber Franz von Assisi und vor allem Jaques Derrida mit ihren Hinweisen auf die Gabe in den Vordergrund. „Entwicklungspolitik gedacht auf der Folie Derridaschen Denkens, der französische Philosoph als Anwalt für gerechtere Wirtschaft- und Handelsbeziehungen mit der Dritten Welt?“, mag sich da manch eine/r verwundert fragen. Für und Wider, Ja oder Nein mag jede/r Leser/in selbst abwägen. In jedem Fall ist Hammerschmied zugute zu halten, daß er den philosophenen Elfenbeinturm verläßt, ohne jedoch die Philosophie zu verlassen, um mit ihr sozialpolitisch engagiert Stellung zu beziehen. A. E.

Hammerschmied, Gerhard J.: „Milde Gabe“. Bruchstücke einer Philosophie der Spender. Wien: Passagen-Verl., 1998. 202 S. (Klagenfurter Beiträge zur Philosophie und Kulturwissenschaft) DM 46,- / sFr 42,50 / öS 336,-