Grenzgespräche. Dreizehn Dialoge über Wissenschaft

Ausgabe: 1993 | 4

Die Menschheit steckt in einer Krise, also auch die Wissenschaft-wobei letztere sich zumindest zum Teil in der Rolle des "Zauberlehrlings" zu befinden scheint: "Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los" -vom (Atom)Müll bis zum Artentod, von der Übervölkerung über die Gentechnologie bis zu Aids reichen die Themen, die vor allem im Rahmen des Spannungsfeldes Naturwissenschaft - Philosophie zur Sprache kommen. Im Vorwort der Herausgeber wird "mehr Mut zu einem neuen philosophischen Denken" gefordert, das "weit über den eigenen Fachbereich" hinausgeht, ein "neues Bild interdisziplinärer Zusammenarbeit" repräsentiert und die Probleme der Verantwortung sowie des Nutzens und Schaffens moderner Forschung nicht ignoriert. Einige Fragen, die in den Interviews behandelt werden: Kann es sein, daß der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Wirbelsturm auslöst? Befinden wir uns auf dem Weg zu einer Weltformel? Diese Fragestellung zieht sich durch mehrere Beiträge, wobei Einsteins berühmtes E=mc2 einen Meilenstein darstellt, ein "Symbol unserer Zeit" (Fritzsch). Welche Aufgabe hat die Philosophie, und hier nicht zuletzt die Ethik, in einer Zeit, wo "niemand mehr einen Überblick" (Fritzsch) hat? Wo sind die" wirklichen Persönlichkeiten" (wie einst Einstein, Heisenberg, Schrödinger, Pauli... ) heute? (Weisskopf). Und Stanislaw Lem klagt: "Die Genies der Renaissance sind ausgestorben." Durchgängig ist festzustellen, daß der Glaube an eine Konsensbildung, auch bei brisanten Themen wie z. B. der Gentechnologie, für sinnvoll gehalten wird "freilich immer unter der Voraussetzung, daß alle, die etwas zu sagen haben, das, was sie denken, auch offen aussprechen" (Low). Angesichts des bedrohlichen Zustands der Menschheit stimmt es hoffnungsvoll, daß aus biologischer Sicht beim Menschen die Hand, der Kehlkopf und das Großhirn (und somit Geschicklichkeit, Verständigung und Vernunft) noch in Entwicklung befindlich sind. Nützen wir diese Chance, oder trösten wir uns damit, daß in weniger als 4,6 Milliarden Jahren "unser" Planet ohnehin nicht mehr in seiner jetzigen Form existieren wird? W F.

Grenzgespräche. Dreizehn Dialoge über Wissenschaft. Interviews mit Iyla Prigogine, Hans Elsässer, Rupert Riedel, Hoimar v. Ditfurth, Stanislaw Lem u.a. Hrsg. v. Adelbert Reif Stuttgart: Ed. Universitas, 1993. DM 38,- / sFr 32,- / öS 297