Tal Ben-Shahar

Glücklicher

Ausgabe: 2007 | 4

„Die Anzahl der Depressionen ist in den USA heute zehnmal so hoch wie in den sechziger Jahren, und das Durchschnittsalter der Depressiven liegt heute bei 14,5 Jahren im Vergleich zu 29,5 im Jahr 1960“, so der Befund des israelischen, in Havard lehrenden Psychologen Ben-Shahar, der in Seminaren Menschen anregt, ihrem Leben Sinn zu geben und ihr Glück zu finden (S. 13). Auf der Basis zahlreicher Erkenntnisse aus der Glücksforschung sowie der Positiven Psychologie beschreibt der Autor im Sinne eines anspruchsvollen Selbsthilfebuchs Wege zu mehr Glück. Fragen zur eigenen Lebensführung („Time-in“) sowie konkrete Übungen ergänzen dabei die inhaltlichen Ausführungen. Ben-Shahar unterscheidet vier Lebenseinstellungen (bzw. Archetypen), drei davon würden das Leben erschweren: „Karrieresüchtige“ (Typ 1) leben in der Vorstellung, erst dann glücklich zu sein, wenn sie ein bestimmtes Ziel erreicht haben, sind aber unfähig, das zu genießen, was sie in der Gegenwart tun. Sie werden ebenso wenig glücklich wie „Hedonisten“ (Typ 2), die nur das Vergnügen suchen und schmerzliche Erfahrungen vermeiden wollen. Am schlimmsten dran seien die „Nihilisten“ (Typ 3), die aufgegeben haben, glücklich zu sein und nicht (mehr) daran glauben, dass das Leben einen Sinn hat. Der „Glück-Archetyp“ (Typ 4) schließlich vereinbart die Fähigkeit, „sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft zu genießen“ (S. 54). Leben im Hier und Jetzt, aber auch auf Entwicklung zu achten (im privaten wie im beruflichen Bereich) sei das Geheimnis dieses Weges. „Der Karrieresüchtige wird zum Sklaven der Zukunft, der Hedonist zum Sklaven des Augenblicks und der Nihilist zum Sklaven der Vergangenheit. Dauerhaftes Glück erfordert, dass wird den Weg genießen, der uns zu einem lohnenswerten Ziel führt.“ (S. 56)

Einer Einführung ins Thema („Was ist Glück?“) folgen Kapitel zum „angewandten Glück“, die einzelnen Lebensbereichen wie Arbeitsplatz, Liebesbeziehung, Familie gewidmet sind, und schließlich sieben „Meditationen zum Glück“. Diese geben – ganz im Sinne eines nachhaltigen Lebens  – Anregungen, seine Gewohnheiten zu überdenken. Ben-Shahar ist nicht gegen Leistung und Erfolg, er kritisiert aber die Dominanz des Strebens nach materiellen Gütern, welches ersetzt werden soll durch das Streben nach der „grundlegenden Währung“, dem Glück. Anders als etwa der Havard-Ökonom Richard Layard („Die glückliche Gesellschaft“, s. PZ 2005/2) lässt Ben-Shahar aber politische und soziale (Verteilungs)Fragen außen vor. Seine „Glücksrevolution“, die anders als die von Karl Marx geforderte, von innen kommt, soll ansteckend wirken und damit Gesellschaften verändern. Während materielle Ressourcen begrenzt seien, gelte dies für die „Menge des Glücks“ nicht. Auch wenn die Vorstellung, dass dadurch selbst internationalen Konflikten vorgebeugt werden könnte, etwas naiv erscheint, so leistet der Autor doch einen wertvollen Beitrag gegen die materialistische Verkürzung des Lebens gerade in einem Land – Ben-Shahar ist in den USA zum Jungstar der Medien geworden –, das die Ideologie des Geldes und Konsums wohl zur Spitze getrieben hat. Er könnte damit (vielleicht) Teil jener neuen Bewegungen werden, die mit einem anderen Lebensstils („Lifestyle of Health and Sustainability – LOHAS) eine Trendumkehr erreichen wollen.