Globale Trends 2000. Fakten, Analysen, Prognosen, Visionen

Ausgabe: 1999 | 4

“Wer die Zukunft mit gestalten will, muß aufbauend auf einer kritischen Analyse der Wirklichkeit, Visionen in realistischer Einschätzung des in Zukunft Möglichen Schritt für Schritt verfolgen, ohne gewiß zu sein, sie je zu erreichen. Niemand, der politisch mit gestalten will, darf jedenfalls die Kernfrage der Politik, die Macht, ausklammern. Wer Ideale und Visionen umsetzen will, muß nicht nur sagen, was zu tun wäre, sondern auch wie gesellschaftliche Macht organisiert werden kann und wer sie ausüben soll.” (S. 41) - Was Ingomar Hauchler, einer der Herausgeber der mittlerweile zum fünften Mal auf Initiative der Bonner Stiftung für Entwicklung und Frieden erscheinenden “Globalen Trends”, im Sinne einer Synthese zwischen “Realisten” und “Idealisten” als Wegmarkierung für ein gerechteres 21. Jahrhundert formuliert, zieht sich als roter Faden durch die insgesamt 18 Beiträge des Bandes. Thematisiert werden die Bereiche Weltgesellschaft (Bevölkerungsentwicklung, Verteilung von Armut und Reichtum, Lage der Frauen, Kommunikation und Medien), Weltwirtschaft (einschließlich der Probleme des Weltfinanzsystems, der Verschuldung sowie der Weltarbeitsmarktentwicklung), Weltökologie (anhand der Umweltmedien Boden, Wasser, Biosphäre und Atmosphäre - den Aspekten “Umwelt und Konflikte” sowie “Tourismus und Nachhaltigkeit” sind Sonderkapitel gewidmet) sowie schließlich Weltpolitik und Weltfrieden mit den Unterthemen “Rüstung und Sicherheit”, “Konflikte und Krisenprävention”, “Menschenrechte und Demokratie”.

Einer Analyse des Ist-Zustandes unter exzellenter Aufbereitung aktueller Daten folgen jeweils Ausblicke auf mögliche Zukunftsentwicklungen, wobei immer auch Handlungsempfehlungen gegeben werden - von einer stabilisierenden Finanzpolitik über kollektive Sicherheitssysteme als Alternative für die noch immer fortwährende Hochrüstungsstrategie von Nationalstaaten bis hin zu einer tatsächlich den Benachteiligten zu Gute kommenden Entwicklungszusammenarbeit. Zu letzterem einige Zahlen: Nur 1,5 % der weltweiten Auslandsdirektinvestitionen gehen derzeit nach Afrika; Länder wie Tansania oder Kamerun müssen über 40 % des Staatshaushaltes für Schuldentilgung ausgeben, etwa das Vierfache dessen, was für soziale Grunddienste zur Verfügung steht; das Kapital der 15 reichsten Personen der Welt übersteigt das gesamte Bruttoinlandsprodukte Afrikas südlich der Sahara.

Und wenn der Mitherausgeber Dirk Messner als Ziel formuliert, daß nach der “Zivilisierung des Kapitalismus” in den westlichen Industrieländern auf nationaler Ebene nach dem zweiten Weltkrieg nun die “Zivilisierung der globalen Marktwirtschaft” auf der Tagesordnung stünde  (S. 55), so zeigt er damit eine sich ebenfalls durch alle Beiträge ziehende Entwicklungsperspektive an, die - ohne die sozialen und ökologischen Probleme zu leugnen - auf Verbesserung der Lebensverhältnisse durch Wohlstandssteigerung in den Ländern des Südens, auf vermehrte Bildungsanstrengungen in einer sich entwickelnden Weltwissensgesellschaft sowie auf Demokratie und Menschenrechte setzt. “Global Governance” im Sinne global koordinierten politischen Handelns wird als adäquate Reaktion auf die globalisierte Wirtschaft gesehen, wobei Demokratisierung nach unten wie nach oben, das Prinzip der Subsidiarität, die Entwicklung “globalen Rechts” einschließlich Sanktionsmöglichkeiten sowie reformierte globale Organisationen die Grundpfeiler hierfür darstellen sollen. Hauchlers Reformvorschlag zielt auf eine Zusammenführung der vielen internationalen Einrichtungen in vier Einheiten, einer Sicherheits-, einer Umwelt-, einer Entwicklungs- sowie einer Wirtschafts- und Finanzorganisation. Internationale NGOs spielten dabei eine wichtige Rolle, sie sollen jedoch institutionalisierte und demokratisch legitimierte Politik nicht ersetzen.


H. H.

Globale Trends 2000. Fakten, Analysen, Prognosen. Stiftung Entwicklung und Frieden. Hrsg. v. Ingomar Hauchler ... Frankfurt/M.: S. Fischer, 1999. 496 S., DM 24,-90 / öS 182,- / sFr 24,90