Gesunde Landwirtschaft - Gesunde Ernährung

Ausgabe: 1987 | 3

Die Krise der Landwirtschaft in der BRD - und weit darüber hinaus - ist offenkundig. Unvermindertes Hofsterben seit Jahrzehnten, Produktion weit über den Bedarf, zunehmende Gefährdung der Existenzgrundlage durch Umweltbelastung und anhaltende Ausbeutung der Dritten Welt durch Futtermittelimporte: das sind die markanten Merkmale einer umfassenden Misere, der mit konventionellen Mitteln offensichtlich nicht beizukommen ist. Die üblichen Ansatzpunkte agrarpolitischen Handelns wie Ab- oder Ausbau staatlicher Preissubvention, die Kontingentierung von Produkten oder deren Erweiterung behandeln bestenfalls Symptome, sind meist kurzfristig orientiert und verkennen die eigentliche Ursache der Probleme: die naturwissenschaftlich begründete chemo-mechanisierte Produktionstechnologie. Gegen die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft, die auch in der High-Tech-Variante eher zur Verschärfung denn zur Entspannung der Krise führen dürfte, entwirft Bechmann - bis 1983 Vorstandssprecher des Öko-Instituts Freiburg/Br. und 1986 Gründer des „Instituts für Ökologische Zukunftsperspektiven“ in Baringhausen (Hannover) - eine umfassende Alternative. Erklärtes Ziel des ökologischen Landbaus, dessen theoretische Fundierung in den zwanziger Jahren stattfand (R. Steiner: biologisch-dynamisch, H. Müller: organisch-biologisch), ist die umweltschonende und energiesparende Erzeugung vollwertiger Nahrungsmittel. Standortspezifischer Anbau, der auf die Anwendung chemischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel grundsätzlich verzichtet, könnte Wesentliches zur Sanierung des Naturhaushalts beitragen. Weiters würde der Verzicht auf Futtermittelimporte die eigenständige Versorgung der Entwicklungsländer (auf ökologischer Basis) ermöglichen. Durch verminderte Erträge pro Flächeneinheit wäre die Überproduktion zu beenden, und nicht zuletzt könnten durch arbeitsintensivere Verfahren auch neue, sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen werden. Anhand zweier Szenarien für den Zeitraum bis 1990 bzw. 2030 wird gezeigt, dass (bei geringfügiger Änderung des Verbraucherverhaltens) volkswirtschaftlich bedarfsdeckend und ernährungsphysiologisch hochwertiger produziert werden kann. Da die ökologische Umstellung auch finanziell vertretbar ist - über dreißig Jahre werden ca. 150 Mrd. DM veranschlagt -, sind zuletzt Leitlinien zur politischen Durchsetzung angeführt, die bildungs- und technologiepolitische Überlegungen einschließen und als Diskussionsgrundlage verstanden werden wollen.  

Kenntnisreich, fachlich fundiert und doch allgemein verständlich entwerfen Bechmann und seine Mitarbeiter schlüssige Konturen einer agrarpolitischen Wende. Nicht nur Experten, sondern vor allem auch Verbraucher sind aufgerufen, sich mit dem Modell zu beschäftigen. Es wird maßgeblich am Willen des/der engagierten Konsumenten liegen, dem ökologischen Landbau auch gegen die heute maßgeblichen Kräfte aus Handel und Industrie den Weg zu bereiten. Um Kritik aus diesem Bereich wirkungsvoll zu begegnen, sind für diesen Sektor ebenfalls Modelle zu erarbeiten, die der vorliegenden Studie an Gründlichkeit und Weitblick nicht nachstehen.

Bechmann, Arnim: Landbau-Wende. Gesunde Landwirtschaft - Gesunde Ernährung; Vorschläge zu einer neuen Agrarpolitik. Frankfurt/Main: S. Fischer, 1987. 208 S