Milena Riede, Michael Noack

Gemeinwesenarbeit und Migration

Ausgabe: 2018 | 2
Gemeinwesenarbeit und Migration

Gemeinwesenarbeit (GWA) hat eine lange Tradition und bedeutet für Akteure und Akteurinnen gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, das Lebensumfeld mitzugestalten und zu partizipieren. Das Ansteigen der Migration der letzten Jahre hat die GWA verändert, vor allem positiv, denn es entstanden viele neue Konzepte und vor allem kreative Antworten. Wie Migration die GWA in Zukunft weiterhin verändern wird, wo die Herausforderungen, Möglichkeiten und Grenzen in der Arbeit in Stadtteilen und Wohnquartieren liegen und wie konzeptuell und methodisch darauf geantwortet werden kann, waren die Themen eines Treffens von AkteurInnen der Gemeinwesenarbeit aus Praxis und Lehre im Juni 2016. In Folge ist diese Publikation entstanden, die der Tradition der „Jahrbücher Gemeinwesenarbeit“ folgt. Die HerausgeberInnen möchten diese Tradition weiterführen und die Diskussion rund um das Thema Gemeinwesenarbeit fördern.

Dieses Buch, herausgegeben von der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin und Expertin für partizipative Prozesse Milena Riede und dem Sozialwissenschaftler und Quartiersmanager Michael Noack, hält was es verspricht: zum einen bietet es theoretisch-konzeptionelle Grundlagen für eine kritische Reflexion von Gemeinwesenarbeit im Zusammenhang mit Migration, zum anderen werden Beispiele aus dem Alltag der Gemeinwesenarbeit mit Geflüchteten dargestellt.

Gelingen und Scheitern von Gemeinwesenarbeit 

Wie kann eine gelungene Willkommenskultur gelebt werden und wie können geflüchtete Menschen in das Gemeindeleben integriert werden? Wo finden wir neue Möglichkeiten der Inklusion und wo liegen die Grenzen? Das Buch beschreibt das Gelingen, aber ebenso auch das Scheitern in der GWA, man erfährt wie GemeinwesenarbeiterInnen die Zukunft in einer Zukunftswerkstatt planen, und es bietet argumentative Anregungen im Umgang mit extremistischen Positionen und Ressentiments.

Vor allem werden sehr ansprechende Beispiele gelungener Integration geschildert: von internationalen „Nordic Talking“-Runden in Düsternort bis hin zum Neubau einer gemeinsamen Fahrradwerkstatt für Geflüchtete, die unfreiwillig über sehr viel Freizeit verfügen und diese sinnvoll nützen möchten. Jugendpartizipation und Migrationsarbeit vereinte das Projekt „Graffiti Kreyenbrück – Bunt statt Grau“, bei dem der Stadtteiltreff gemeinsam mit Schülern und Schülerinnen den Stadtteil verschönert haben. Alle Praxisbeispiele sind gut beschrieben und Kontaktdaten der Projektleiter ebenso zu finden.

Das Konzept der Gemeinwesenarbeit habe vor allem die Verbesserung von Lebensbedingungen und die Stärkung der Eigenverantwortung Betroffener in sozialen Räumen zum Ziel, so die HerausgeberInnen. Um das Gelingen sicherzustellen sollten die Ziele langfristig angelegt sein, da es sich meist um komplexe Systeme handelt, die verändert und gestaltet werden wollen. Gemeinwesenarbeit sei mehr als reines zivilgesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement, sie ist vor allem professionelle Sozialarbeit.

Neun Qualitätskriterien 

Der Zusammenarbeit zwischen Professionisten, Betroffenen und ehrenamtlich Tätigen und zielgruppenorientierter Bedarfsanalyse sei besonderes Augenmerk zu schenken um die langfristige Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren. Die Gemeinwesenarbeit unterliegt natürlich auch gewissen Qualitätsstandards, die regelmäßig überprüft und aktualisiert werden müssen. Markus Kissling, Referent für Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit in Niedersachsen, hat für diese Publikation eine Arbeitshilfe für GemeinwesenarbeiterInnen vorgelegt und stellt eine Art Checkliste für Gemeinwesenarbeit dar. Folgende Qualitätskriterien gelingender Gemeinwesenarbeit werden hier genannt: (1) BewohnerInnen stehen im Zentrum, (2) Selbstorganisation ist möglich (3) Stärken vor Ort nützen (4) Zielgruppenübergreifendes Denken und Handeln (5) Ressortübergreifendes Denken und Handeln (6) Starke Netzwerke und Kooperationen (7) Zusammenleben gestalten – Nachbarschaft fördern (8) Infrastruktur fördern (9) Gesamtkommunales Denken und Handeln.

Ein sehr empfehlenswertes Buch für Engagierte, Interessierte und professionelle ProzessbegleiterInnen und SozialarbeiterInnen.