Für eine sozial-ökologische Forschung

Ausgabe: 1989 | 1

Die Autoren, Mitbegründer des Institutes für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt, kritisieren an dieser Stelle den alternativen Wissenschaftsbetrieb, vor allem die in der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF) zusammengeschlossenen Initiativen. Sachzwänge, Selbstausbeutung und der Mangel an Zeit zur Selbstkritik im Laboralltag werden diagnostiziert. Es muß mehr geschehen als die fundamentalistische Forderung "Weg mit". Allein mit ökologischer Verantwortung lassen sich nämlich "die anderen Ufer von Ökotopia" nicht mehr erreichen. Andererseits bedarf es natur- bzw. technisch-wissenschaftlicher Analyse- und Bewertungsmethoden als Voraussetzung für Akzeptanz in der Fachwelt. Dieses zweifache Dilemma macht die Erweiterung des Blickwinkels nach Ansicht von Kluge und Schramm unumgänglich. Beide Autoren bezweifeln, ob sich jene Herangehensweisen, "die überhaupt erst dazu führen, daß in einem bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhang Probleme erzeugt werden, sinnvoll dazu einsetzen lassen", einen Ausweg aus der Krise aufzuzeigen. Die Schwierigkeiten einer "Gegenwissenschaft" werden exemplarisch anhand einer Muttermilch-Studie des Freiburger Öko-Instituts aufgezeigt: Wegen der alarmierenden Pestizid-Belastung der Milch wurde zunächst den Müttern empfohlen, nicht mehr zu stillen. "Der empörte Aufschrei der Frauen, die sich gegen die Bevormundung der Frauenärzte und der Industrie den Weg von der Flasche zum Stillen zurückerobert hatten, führte dann zu einer Abänderung des Gutachtens." Ökologisch orientierte Forschung muß nach Ansicht der Autoren ihr Interesse auf die Zusammenhänge zwischen der ökologischen Krise und den aktuellen Umwälzprozessen in den Bereichen Arbeit, Geschlechterverhältnis und internationale Beziehungen richten. Es sind begründete Fernsichten eines ökologischen Umbaus zu erarbeiten und Freiräume zur Durchführung fachübergreifender Forschungsprojekte zu schaffen, um nicht von der Politik integriert und zur Abfederung von Konflikten mißbraucht zu werden. "Statt sich darauf einzulassen, Gegenwissenschaft im Sinne einer (...) Politikberatung zu treiben, die den zuvor gesetzten Rahmen nicht mehr hinterfragt, muß es vielmehr darum gehen, eine umfassende, die Krisenbezüge wahrnehmende Begründung für eine neuartige Politik jenseits des Fachressorts zu erarbeiten." Ein weiterer Aufsatz der beiden Autoren zu Hochschulautonomie, Forschungspolitik in der Sackgasse ist zu lesen in: Kommune. Jg. 6 (1988), Nr. 12, S. 6-9.

Kluge, Thomas; Schramm, Engelbert: Weniger Analytik mehr Analyse. Für eine sozial-ökologische Forschung. In: Wechselwirkung. Jg. 11 (1989), Nr. 40, S. 28-30.