Friedenspolitik der Zivilgesellschaft

Ausgabe: 1999 | 2

Wenn es nach der vorherrschenden veröffentlichten Meinung der meisten Massenmedien ginge, müßte dieser vierte Berichtsband des Forschungsprogrammes „Zivilmacht Europa" ein Requiem für die zivilgesellschaftlichen NGOs und Basisinitiativen anstimmen. Ob es der (Pyrrhus-)Sieg „NATO gegen NGO" in den jüngsten Balkankriegen oder schon die Wende von 1989 mit ihrer Absage an einen „Dritten Weg" war: die zivilgesellschaftlichen Initiativen wurden wieder einmal zu karitativen Reparaturbrigaden degradiert und viele ihrer unabhängigen Politiker ins Abseits gedrängt.

Zurzeit scheinen es die europäischen Bewegungen - vor allem im Friedens- und Demokratiebereich - schwerer als manche in den „Entwicklungsländern" zu haben (siehe den Beitrag des Inders Smitu Kothari), ihre umfassenden Konzepte zu entwickeln und in die Tagespolitik einzubringen. Das hängt auch mit der mangelnden politischen, personellen und finanziellen Unterstützung hochoffizieller Strukturen wie der OSZE (und auch der UNO) zusammen. Am Schicksal der „Helsinki -Bürgerversammlung" (1990 in Prag als Nachfolgerin des oppositionellen „Ost-West-Netzwerkes“ gegründet) zeigt sich das Dilemma einer Basisorganisation, die sich, aus der Blockkonfrontation emanzipiert, einer unübersehbaren Vielfalt aktueller Probleme stellen muß. Dort, wo sie sich bemühte, den überforderten Staaten und anderen Institutionen Aufgaben abzunehmen, mußte auch sie scheitern. So lange genügend Raum und Ressourcen für die Vernetzung unterschiedlicher Initiativen - von Friedensforschungsinstituten (wie das Friedenszentrum Burg Schlaining), Menschenrechts-, Sozial- und Umweltbewegungen und ähnlichen Initiativen vorhanden war, entwickelten sich nicht nur Konzepte, sondern auch deren praktische Umsetzung weiter. So z.B. Johan Galtungs Dreiecks-Modell von „Resolution - Reconstruction - Reconciliation", das sich in „Wahrheitssuche und Retribution" fortsetzt und auch in das 10-teilige ÖSFK-Forschungsprogramm „Friedensmacht Europa" integriert wurde. Zwar beherrscht zurzeit „Frieden schaffen durch politische, militärische und polizeistaatliche Gewalt" die etablierte Machtpolitik. - nicht nur - auf dem Balkan. Sie verschwendet zivilgesellschaftliche Ressourcen und zerstört die geistigen wie materiellen (inklusive der Kontaminierung der Umwelt) weiträumig und auf Jahrzehnte hinaus nachhaltig. Dennoch eröffnen auf längere Sicht nur die oben - unvollständig - skizzierten Ansätze und Modelle einen gangbaren Ausweg aus der Sackgasse einer - vor allem - strukturellen Gewalt heraus. M. Rei.

Friedenspolitik der Zivilgesellschaft. Zugänge - Erfolge - Ziele. Hrsg. v. Österreichischen Studienzentrum für Frieden- und Konfliktlösung (ÖSFK). Münster: Agenda-Verl., 1998. 317 S., DM 42,- / sFr 39,- / öS 307,-